Ein Jahr nach Einführung wird das österreichische Pfandsystem als ökologischer Meilenstein gefeiert: hohe Rücklaufquoten, funktionierende Automaten, zufriedene Konsumentinnen und Konsumenten. So zumindest die Jubelmeldungen. Doch jenseits dessen offenbart sich ein altbekanntes Muster kapitalistischer Umweltpolitik: Die Ursachen der ökologischen Krise bleiben unangetastet, während ihre Bewältigung an die Bevölkerung delegiert wird. Pfand ist kein Strukturwandel, sondern ein Placebo.
Im Kern verschiebt das System Verantwortung. Nicht jene, die Verpackungen entwerfen, produzieren und in Milliardenstückzahlen in Umlauf bringen, tragen die Hauptlast, sondern jene, die konsumieren. Müllvermeidung wird zur individuellen Pflicht erklärt, während die Industrie weiterhin auf Einweg setzt. Statt verbindlicher Reduktionsziele, Mehrwegquoten oder Verpackungssteuern gibt es Rückgabeautomaten und Moralappelle. Das Ergebnis ist eine scheinbar saubere Statistik bei unverändertem Produktionsvolumen.
Ökonomisch wirkt Pfand regressiv. Wer wenig Zeit, Mobilität oder Platz hat, verliert häufiger den Anspruch auf Rückgabe. Nicht eingelöstes Pfand bleibt im System und finanziert es mit – ausgerechnet durch jene, die es am wenigsten entbehren können. Das ist keine soziale Umweltpolitik, sondern eine Umverteilung von unten nach oben, getarnt als ökologische Vernunft.
Hinzu kommt die Externalisierung von Arbeit. Sammeln, Lagern, Transportieren und Rückführen der Gebinde erledigen Haushalte unbezahlt. Die Industrie spart Entsorgungskosten, der Handel profitiert von Frequenz, der Staat erhält eine „Lösung“, ohne die Produktionsseite anzutasten. Pfand organisiert Konsumdisziplin, nicht Produktionsverantwortung.
Ökologisch bleibt der Effekt begrenzt. Recycling ist energieintensiv und verliert mit jedem Zyklus Materialqualität. Es mindert Symptome, nicht Ursachen. Entscheidend wäre Abfallvermeidung: weniger Verpackung, langlebige Mehrwegsysteme, standardisierte Gebinde, Pflichten zur Wiederbefüllung, klare Haftung der Produzenten.
Alles andere ist Greenwashing in Reinform: Die Verantwortung wird individualisiert, während Eigentums- und Machtverhältnisse unangetastet bleiben. Ein wirksamer Umweltschutz würde stattdessen dort ansetzen, wo Entscheidungen fallen: in Vorstandsetagen, Lieferketten und Gesetzestexten. Solange Einweg profitabel bleibt, bleibt Pfand Kosmetik. Es beruhigt Gewissen, stabilisiert Profite und verschleiert die wahren Verursacher von Umweltverschmutzung.
Quelle: ORF





















































































