Am 26. Oktober 2004 wurde Frontex, die europäische Grenzschutzagentur, gegründet – mit dem Ziel, die Außengrenzen des Schengen-Raums zu „schützen“. Was damals als kleine Organisation mit wenigen Dutzend Beschäftigten und einem bescheidenen Budget von sechs Millionen Euro begann, ist heute zu einer enormen Institution mit über 2.300 Beschäftigten und einem Jahresbudget von rund 922 Millionen Euro angewachsen. Die Agentur soll in den nächsten Jahren auf 30.000 Einsatzkräfte vergrößert werden, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Juli bekannt gab. All das steht im Zeichen menschenverachtender Politik an den Grenzen der EU.
Frontex stand immer wieder im Zentrum schwerer Vorwürfe. Menschenrechtsverletzungen, illegale „Pushbacks“ von Migrantinnen und Migranten sowie intransparente Einsatzpraktiken gehören zu den häufigsten Anklagen. Migrationsforscher Clemens Binder von der Universität Kopenhagen weist darauf hin, dass Frontex zwar ursprünglich als technisches Unterstützungselement im Sinne der EU-Personenfreizügigkeit geschaffen wurde, sich jedoch zunehmend zu einer eigenen Machtstruktur entwickelt habe. Die Organisation werde nun als „integraler Bestandteil“ der europäischen Grenzpolitik betrachtet, was für viele Anlass zur Sorge sei.
Kritikerinnen und Kritiker sehen die Zukunft von Frontex als unklar und die Organisation als „zerrissen“. Die geplante Aufstockung soll die Agentur nach Angaben der EU „autonomer“ machen – ein Begriff, der Befürchtungen hinsichtlich einer unkontrollierten Machtfülle und mangelnder Rechenschaftspflicht weckt. Denn während die Agentur durch ihre Drohnen, Flugzeuge und umfangreiche Überwachungssysteme militärähnliche Kapazitäten aufbaut, bleiben konkrete Informationen über Aufgaben und Einsatzbereiche oft vage. Anfragen nach genaueren Angaben dazu wurden sowohl von Frontex als auch von der EU-Kommission unbeantwortet gelassen.
Frontex verteidigt seine Position mit dem Hinweis, dass ein starker Außengrenzschutz notwendig sei, um die innere Sicherheit der EU zu gewährleisten und humanitäre Verantwortung wahrzunehmen. Doch für viele Migrations- und Menschenrechtsorganisationen stellt sich die Frage, wie eine Agentur, die stark auf militärische Überwachung und Abschottung setzt, diesen humanitären Ansprüchen gerecht werden soll. Die EU hat es nicht mit einer Migrationskrise, sondern einer Krise der Migrationspolitik zu tun. Das riesige Budget und die zunehmende Militarisierung von Frontex scheinen vielmehr auf eine Strategie abzuzielen, die Migration nach Europa stärker zu verhindern, als zu regulieren.
Als Frontex 2005 mit einer klar begrenzten Rolle ins Leben gerufen wurde, lag der Fokus auf technischer Unterstützung für nationale Grenzschutzbehörden. Nun jedoch wächst die Agentur kontinuierlich und wird zu einem immer mächtigeren Instrument der EU-Grenzpolitik – mit Folgen, die aus menschenrechtlicher Sicht alarmierend sind.
20 Jahre Frontex sind kein Grund zu feiern, sondern ein trauriger Jahrestag, der verdeutlicht, was der Kapitalismus hervorbringt: Barbarei. Barbarei im Sinne von Krieg und Perspektivenlosigkeit in den Herkunftsländern und Barbarei an den EU-Außengrenzen, ohne Rücksicht auf Menschenrechte oder Überleben.
Quelle: ORF