HomeFeuilletonKulturArik Brauer 1929-2021

Arik Brauer 1929–2021

Am vergangenen Sonntag verstarb mit Arik Brauer ein bekannter Vertreter des Phantastischen Realismus sowie – weniger intendiert – des „Austropop“.

Wien. Am 24. Jänner 2021 verstarb der österreichische Künstler Arik Brauer. Geboren wurde er als Erich Brauer am 4. Jänner 1929 als Kind einer jüdischen Familie aus Wien-Ottakring. Die Kindheit war bereits prägend aufgrund historischer Ereignisse: Der Sozialdemokratie nahestehend, war der Februar 1934 für die Familie bereits eine ernste Warnung vor der Gewalt des Faschismus, doch 1938 bis 1945 sollte es noch schlimmer kommen: Die Nazis ermordeten Brauers Vater im Konzentrationslager, er selbst überlebte im Wiener Untergrund. So erlebte er den April und Mai 1945 als Befreiung, als die Rote Armee Wien einnahm – und da er auch die Ergebnisse der ersten Hälfte der 1930er Jahre damals einem Versagen der Sozialdemokratie zuschrieb, war Brauer als Jugendlicher nach Kriegsende für fünf Jahre Mitglied der KPÖ-nahen Freien Österreichischen Jugend (FÖJ). Dies hat er später zutiefst bereut, wie er erklärte: Er bezichtigte die UdSSR des Verrats an Karl Marx und Otto Bauer (sic!) sowie an ihren gesellschaftlichen Idealen, weswegen er sich in einem „Standard“-Interview zu seinem 90. Geburtstag mit der Aussage zitieren ließ: „Ich verachte Stalin viel mehr als Hitler.“ – Diese sollte man aber nicht außerhalb des Kontexts interpretieren, wenngleich sich Brauer zweifellos zu einem entschiedenen Antikommunisten entwickelte.

Maler des Phantastischen Realismus

Ab 1951 – er studierte an der Wiener Akademie der bildenden Künste Malerei – gehörte Brauer zu den Mitbegründern der damals neuen Wiener Schule des Phantastischen Realismus, zu deren wichtigsten Vertretern Ernst Fuchs, Rudolf Hausner, Maître Leherb oder Peter Proksch gehörten. Diese Kunstströmung, die dem Surrealismus nahesteht und in der Betitelung ein faktisches Oxymoron enthält, war und ist nicht unumstritten – die westliche Avantgarde hatte längst anderes vor (Wiener Aktionismus, abstrakter Expressionismus) und betrachtete sie als reaktionär, der proletarisch-sozialistische Realismus sowieso. Doch zweifellos implizierte die gewählte Position zwischen den Stühlen zumindest auch eine Marktlücke, die in ihrer Nachwirkung bis heute funktioniert. Brauer hinterlässt nicht nur eindrucksvolle Bilder, sondern auch architektonische Attraktionen im Wiener Stadtbild, etwa das Arik-Brauer-Haus in der Gumpendorfer Straße (quasi der kleine Bruder des Hundertwasser-Hauses), sowie in der Leopoldstadt Fassadenarbeiten, nämlich an der Pfarrkirche der Auferstehung Christi am Tabor sowie an der Zwi-Perez-Chajes-Schule der Israelitischen Kultusgemeinde beim Augarten – womit aber nicht gesagt sein soll, dass der Phantastische Realismus kunsthistorisch ausschließlich ein Potemkinsches Dorf darstellt.

Dialektdichtung und kritische Lieder

Obwohl sich Brauer vornehmlich als Maler verstand, war er bereits in den 1950er Jahren auch als Sänger und Autor aktiv, zunächst in Israel und Paris. Schließlich fügten sich in diesem künstlerischen Bereich jedoch Musik, Gesang und Dichtung im Wiener Dialekt zusammen, was Brauer (gänzlich unfreiwillig, wie er sagte) zu einem Wegbereiter des „Austropop“ machte: „Sie hab’n a Haus ’baut“ und „Köpferl im Sand“ (beide 1971) gehören bis heute zum entsprechenden Standardrepertoire, wobei die kritischen Töne der Lieder mitunter freilich leicht verloren gehen – sie werden oft lediglich als „humoristisch“ eingestuft, hatten aber Substanz. Und auch die Tatsache der – im Unterschied zur Malerei lebensnahen – Mundarttexte war bewusst, denn Brauer sah hier in der „Sprache der Arbeiterklasse“ so etwas wie die „Poesie der Straße“ reproduziert, die sich besser für den Transport politisch-kritischer Anliegen eignete. Diesen Ansatz muss man Brauer anrechnen, allerdings war ihm selbst bewusst, dass das rezeptionelle Durchdringen eben seine Grenzen hatte: Gesellschaftskritik gehört schon auch ins Kirtagszelt und auf die Skihütte, auch bei mangelnder Erfassung durchs Publikum. Brauer hat sich damit arrangiert und war auch auf solcherart „Charterfolge“ letztlich stolz.

Abrundung des Eckigen

Man kann Brauer durchaus eine künstlerische Vielseitigkeit attestieren, deren Beitrag zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Österreich und darüber hinaus deutliche Spuren markiert hat. Daneben galt Brauer zeitlebens als aufrichtiger antifaschistischer Mahner, der aus seiner Familiengeschichte entsprechende Aufrichtigkeit gewann, wenngleich „Totalitarismus“-Vorstellungen freilich in die Irre führen. Angeeckt ist er als selbstinszenierter Außenseiter immer wieder auch beim „Mainstream“, in den letzten Lebensjahren häufiger, etwa indem der die Ausladung der FPÖ-Vertreter von der Befreiungsfeier im ehemaligen KZ Mauthausen kritisierte oder auf die antijüdischen Einstellungen muslimischer Migranten verwies, die gefährlicher als der Antisemitismus einheimischer Neonazis seien. Das kann man schon wesentlich anders sehen, doch Brauer war gegenüber allzu deutlicher Zustimmung ohnedies skeptisch. – Nun ist Arik Brauer wenige Tage nach seinem 92. Geburtstag gestorben. Aus der Ehe mit der israelisch-jemenitischen Künstlerin Naomi Dahabani gingen drei Töchter hervor, die Sängerin Timna Brauer und die Schauspielerin Ruth Brauer-Kvam sind der künstlerisch interessierten Öffentlichkeit ebenfalls gut bekannt.

Quelle: ORF / Der Standard

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