Ende Jänner eskalierte die Situation auf einer Demo gegen Abschiebungen in der Tiroler Landeshauptstadt. Es folgten zahlreiche Verhaftungen und Verletzte auf der Seite der Demoteilnehmer. Das Landesverwaltungsgericht hat diesen unverhältnismäßig brutalen Polizeieinsatz inzwischen als rechtswidrig eingestuft.
Innsbruck. Ungefähr 600 Personen demonstrierten am 30. Jänner für ein Ende der Situation von Flüchtlingen in Moria und gegen Abschiebungen. Bei der Demonstration wurde die bisherige folgenschwere Verfahrensweise der Regierung und der EU mit diesem Thema kritisiert – gefordert wurde die Aufnahme von Menschen aus Moria und die Auflösung des Lagers. Der Demonstrationszug wurde von Anfang an von einem unverhältnismäßig großen Polizeiaufgebot begleitet und immer wieder gestört. Ein Block von ungefähr 70 Demonstrantinnen und Demonstranten wurde bald darauf grundlos, jedoch unter dem Vorwand der Nichteinhaltung des Mindestabstands, eingekesselt und mit Pfefferspray und Schlagstöcken bearbeitet. Die ZdA berichtete:
„Durch den Einsatz der Polizei wurden mehrere Menschen verletzt. Die meisten Personen durften den Polizeikessel zwar verlassen, es wurden aber mehrere Personen verhaftet und angezeigt. Zwei Stunden, nachdem die Demonstrantinnen und Demonstranten gekesselt wurden, wurden die letzten sieben Personen mittels Gefangenentransporter aus dem Kessel abgeführt.“ Die ZdA kritisierte außerdem, dass offensichtlich bei Kundgebungen und Demonstrationen mit zweierlei Maß gemessen würde – Repression gäbe es nur für linke Protestaktionen, während die Demonstrationen von Querdenkerinnen und ‑denkern mit Samthandschuhen angefasst würden, also von jenen politischen Subjekten, die am meisten auf Mindestabstand und Mund-Nasen-Schutz pfeifen und somit tatsächlich eine Gefahr für sich und für andere darstellen.
Einsatz als rechtswidrig befunden
Die Organisatoren der Demonstration legten daraufhin eine Maßnahmenbeschwerde gegen den Polizeieinsatz mit dem Vorwurf der Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit ein, der auch vom Landesverwaltungsgericht stattgegeben wurde.
Infolge der Anhörung aller Involvierten kam der Vizepräsident des Landesverwaltungsgerichts, Albin Larcher, zum Schluss, dass die Beschwerde gerechtfertigt sei, da das Vorgehen der Polizei rechtswidrig gewesen sei. Albin Larcher zufolge hätte bereits der Versuch, den Block von Demonstrantinnen und Demonstranten aufgrund des Vorwurfs der Nichteinhaltung gesetzlich vorgeschriebener Abstände vom Rest des Demozugs zu trennen, einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dargestellt. Problematisch war auch der genaue Ort des polizeilichen Eingriffs: In der Templstraße, also 20 Meter vor der Kreuzung zur Michael-Gaismayr-Straße, hätte der Schwarze Block gar nicht ausweichen können, wodurch wiederum der gesamte Demozug in seiner Fortbewegung gestört worden war. Zusätzlich kam bei den Befragungen heraus, dass der Einsatz von vier großen Pfefferspray-Gebinden von keinem Vorgesetzten in der Befehlskette angeordnet worden war, was den Einsatz auf zweifache Weise rechtswidrig macht: Einerseits, weil es bei der Verwendung dieser Pfefferspray-Gebinden eines Befehls von oben bedarf, der nicht gegeben worden war, und zweitens, weil der Pfefferspray auch auf zurückweichende Demonstrantinnen und Demonstranten üppig verteilt worden war. Dem Beschwerdeführer wurden 1.659,50 Euro seitens der Landespolizeidirektion als Verfahrensaufwand zugesprochen, die Polizeidirektion hat wiederum sechs Wochen Zeit, Revision gegen das Urteil einzulegen.
Es ist dies ein positives Zeichen, das darüber Aufschluss gibt, dass sich die auf Radau erpichten Polizeikräfte nicht alles erlauben können, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Das Trauma durchlebter Aggressionen und Brutalität kann dadurch bei den Opfern der Polizeigewalt nicht wiedergutgemacht werden, aber es bleibt zu hoffen, dass sich Polizeikräfte bei der nächsten Gelegenheit besonnener verhalten und sich normal aufführen. Gleichzeitig muss man sich aber darüber im Klaren sein, dass der Rechtsstaat immer von klassenmäßigen Kräfteverhältnissen abhängt und diese Regierung linken Demonstrantinnen und Demonstranten nichts schenkt. Eine diesbezügliche Stellungnahme des Innenministeriums zeigt recht offenkundig, dass hierbei auf keine Einsicht zu hoffen ist. Das Innenministerium wies nämlich die Kritik zurück und glaubte zu wissen, dass die Eskalation vermeidbar gewesen wäre, „wenn die Zugehörigen einer bestimmten Gruppierung den Anordnungen der Einsatzkräfte nachgekommen wären. Sie also den wiederholten Aufforderungen, den Abstand einzuhalten, Folge geleistet hätten.“ Tatsächlich hat erst die Einkesselung dazu geführt, dass der Mindesabstand nicht eingehalten werden konnte, da, wie aus dem Verfahren ersichtlich geworden ist, den Demonstrantinnen und Demonstranten kein Platz zum Ausweichen gegeben worden war.