Rund um Lichtgestalt Sebastian Kurz wurde in St. Pölten der Parteitag der Österreichischen „Volkspartei“ in Szene gesetzt. Dies impliziert v.a. viel Geschwurbel, aber auch ein paar asoziale und reaktionäre Pläne.
Sankt Pölten. Am vergangenen Samstag lud die ÖVP ihre Mitglieder in die niederösterreichische Landeshauptstadt zu einem Showevent, das gleichzeitig die formellen Kriterien eines Bundesparteitages erfüllen sollte. Es kamen an die 1.300 Menschen, davon mehr als 500 ordentliche Delegierte, der Rest Claqueure. Im Mittelpunkt der Inszenierung stand Messias Sebastian Kurz, der sich gleichzeitig als Heilsbringer wie als bemitleidenswertes Opfer darstellte. Er bejammerte, dass alle gegen ihn seien, was doch gänzlich unverdient wäre, wenn er doch so großartige Politik mache. Man sei immerhin gut durch die Krise und Pandemie gekommen, behauptet der junge Mann mit einem steuergeldfinanzierten Monatseinkommen von über 22.000 Euro. Dass für das „gemeine Volk“ weder Krise noch Pandemie vorbei sind, tangiert nicht, denn die ÖVP befindet sich in ihrer ganz eigenen ideologischen Blase.
Asoziale Programmatik und Leere
Was in der Rede des Bundeskanzlers an Programmpunkten für den Herbst skizziert wurde, sind ein paar substanzlose Überschriften, Schlagwörter – und einige Drohungen: Auf Grundlage eines verqueren menschenfeindlichen Gesellschaftsbildes bedeutet für die ÖVP der Kampf gegen Arbeitslosigkeit nichts als Repressionen für Arbeitslose, für die es ohnedies keine Jobs gibt; die Aufnahme von Flüchtlingen wird rundweg abgelehnt; die Integrationspolitik wird noch asozialer und tatsächliche Integration dadurch faktisch erschwert – das ist aber auch logisch, wenn man sich das konstruierte Feindbild der muslimischen „Parallelgesellschaften“ und des politischen Islams erhalten möchte; im Bereich der Ökologie bekennt man sich zum Automobil und zum Straßenbau – da wird’s aber schon mit dem eigenen vermeintlichen Kernklientel schwierig: Vor der Parteitagshalle demonstrierten Bauernfamilien mit 50 Traktoren gegen den Bau der Traisental-Schnellstraße (S34).
Familienzusammenhalt im türkisen Wahlverein
Das ist drinnen und im Festzelt wurscht. Es gibt Bier und Schnitzel und so etwas wie eine Wahl. Sebastian Kurz lässt sich als ÖVP-Obmann bestätigen, angeblich mit einer Zustimmung von 99,4 Prozent der Delegierten. Wie der ganze Parteitag eine Inszenierung ist, ist auch diese Zahl geschönt, da offenbar 64 Stimmenthaltungen unter den Tisch gefallen sind – somit käme Kurz nur noch auf eine Zustimmungsrate von 88,8 Prozent. Trotzdem hat natürlich eine große Mehrheit Kurz gewählt und der durchaus vorhandene Unmut in der ÖVP bleibt ungeäußert. Gewiss sind viele ÖVP-Mitglieder nicht damit glücklich, wie die Kurz-Regierung mit Verfassung, Rechtsstaatlichkeit, Kirche, Menschenrechten oder dem Parlament umgeht. Am Parteitag gibt es jedoch keine Wortmeldungen oder Debatten, Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol meinte, er habe sich die Anträge nicht einmal angesehen. Somit siegt der verordnete Zusammenhalt: Solange am türkisen Ticket Wahlen gewonnen werden, haben Anstand, Demokratie und Menschlichkeit Sendepause. Der „neue Stil“ bleibt einerseits heiße Luft in der Dauerschleife, andererseits egomanische Ungeniertheit im Dienste der „Familie“.
Quelle: Der Standard