HomePanoramaKapitalistische Profitlogik macht Sehende wieder blind

Kapitalistische Profitlogik macht Sehende wieder blind

Die US-amerikanische Biotech-Firma „Second Sight“ lässt ihre Technologie – ganz nach dem Vorbild eines x‑beliebigen Betriebssystems – einfach auslaufen. Trägern von künstlichen Augen droht so der erneute Sehverlust, damit ein noch teureres System verkauft werden kann.

Die Produkte der Argus-Reihe verhalfen in den letzten Jahren zahlreichen erblindeten Menschen zu künstlichem Augenlicht. Möglich machen dies Netzhautimplantate sowie eine spezielle Videobrille. Doch damit ist es auch schon wieder vorbei: Weil das Unternehmen, das die Produkte auf den Markt brachte, noch gewinnträchtigere Aussichten mit anderen Entwicklungen hat, werden die bionischen Augenimplantate einfach nicht mehr unterstützt. Bei Softwareproblemen und auftretenden Schäden stehen die Trägerinnen und Träger alleine da, bis ihre künstlichen Augen gar nicht mehr funktionieren.

Noch profitablere Alternative entwickelt

Man kennt den „Schmäh“ großer Technologiekonzerne, dass grundsätzlich gut funktionierende Produkte einfach nicht mehr supportet werden, damit die kaum bessere Nachfolgegeneration besser vermarktbar ist. Sonst würden sich die Absatzzahlen des neuesten Betriebssystems, Handys oder Computerprogramms in engen Grenzen halten. Doch im Bereich der Biotechnologie kostet diese profitorientierte Vorgehensweise buchstäblich das Augenlicht: Der börsennotierte Konzern „Second Sight“ hat bereits 2020 damit begonnen, Support, Reparaturen und die Lieferung von Ersatzteilen für das bionische Auge „Argus II“ einzustellen. Bisher konnten damit hunderte Patientinnen und Patienten vor allem in den USA und Europa – nach Produktkosten von 150.000 Dollar und Gesamtkosten von einer knappen halben Million – wieder ihr Augenlicht erlangen.

Doch, was den Betroffenen vor rund zehn Jahren niemand gesagt hat: Es handelt sich um Auslaufmodelle. Der Hersteller will künftig Gehirnimplantate vertreiben, deren Kosten in die Millionen gehen – die Aktionäre mag es freuen, die bisherigen „Kunden“ sehen buchstäblich schwarz.

Nun ist „Second Sight“ geradezu ein Musterbeispiel für kapitalistische Biotechnologie: Mit staatlicher Unterstützung der Forschung auf allen Ebenen können durchaus beachtenswerte Entwicklungen vorangetrieben werden. Doch schon früh krallen sich profitorientierte Konzerne die Patente, treiben die Produktpreise in eklatante Höhe, geben Unsummen für Marketing und das gerichtliche Vorgehen gegen Konkurrenten aus – und stellen jegliche Entwicklung ein, sobald die Profitmargen zu gering werden. Auf der Strecke bleiben Patientinnen und Patienten ohne das nötige Kleingeld, aber selbst die übrigen müssen einkalkulieren, dass ihr Anbieter noch gewinnträchtigere Geschäftsmodelle entwickelt. Nicht umsonst ist das US-amerikanische Gesundheitssystem gleichzeitig das profitabelste, teuerste und ineffizienteste der Welt.

Quellen: Futurezone, Tagesspiegel

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