In einem neuen Bericht attestiert Amnesty International der israelischen Politik eine systematische Apartheid gegenüber Palästinensern und Arabern. Die israelische Regierung betrachtet freilich jede Kritik als antisemitisch.
London/Jerusalem. Bei einer Pressekonferenz in Ostjerusalem am vergangenen Dienstag übte die NGO Amnesty International scharfe Kritik an der israelischen Politik. AI-Generalsekretärin Agnès Callamard stellte fest, dass in Israel und den besetzten Gebieten ein „institutionalisiertes Regime der Unterdrückung und Beherrschung“ einer ethnischen Gruppe durch eine andere existiert, das man als Apartheid bezeichnen muss. Diese Charakterisierung bedeute keine Analogie zum historischen Apartheid-Regime in Südafrika, sondern entspreche der juristischen Definition gemäß verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen. Es stehe jedenfalls außer Frage, dass die Palästinenser in der Westbank sowie die Araber in Israel massiv diskriminiert werden, etwa durch Segregation, Enteignung oder Ausgrenzung – und zwar systematisch und auf grausame Weise, konstatierte Callamard bei der Vorstellung des AI-Berichtes.
Israels „alternierender Ministerpräsident“ und gegenwärtiger Außenminister Jair Lapid bezeichnete den Bericht von Amnesty International als „falsch, einseitig und antisemitisch“ – freilich bereits am Montag, als Text und Inhalt noch gar nicht bekannt waren. Auch dies verdeutlicht, dass die israelische Regierung – egal, welche Parteien an ihr beteiligt sind – nicht bereit ist, die Unterdrückungs‑, Okkupations- und Annexionspolitik auch nur ansatzweise zu hinterfragen. Stattdessen gilt jede Kritik an der israelischen Politik taxfrei als „antisemitisch“, womit man seine eigenen Verbrechen gegenüber den Palästinensern vor jeglicher Problematisierung immunisieren möchte. Bei diesem Ablenkungsmanöver macht leider auch der österreichische IKG-Präsident Oskar Deutsch mit: Er unterstellt AI eine antisemitische Motivation und zieht einen bizarren Vergleich zu „Brunnenvergifter-Lügen aus dem Mittelalter“. Dem notwendigen Kampf gegen den wirklichen Antisemitismus wird damit kein guter Dienst erwiesen.
Quelle: Der Standard / ORF