Nach massiven SARS-CoV-2-Infektionen bei Zuchtnerzen und menschlichen Angestellten werden alle niederländischen Pelzfarmen nun endgültig geschlossen. Es handelt sich um einen längst überfälligen Schritt, der schon aus Tierschutz- und moralischen Gründen abgebracht war, jetzt aber durch die Corona-Pandemie beschleunigt wurde.
Den Haag. In den Niederlanden muss die Nerzzucht und ‑verarbeitung nun schneller als geplant eingestellt werden. Schon seit April war bekannt, dass unter den Tieren die CoViD-19-Krankheit grassiert, auch einige Fälle infizierter Angestellter von Pelzfarmen wurden publik – mit dem inzwischen recht eindeutigen Verdacht der Gesundheitsbehörden und des Landwirtschaftsministeriums, dass hier das Virus vom Tier auf den Menschen und umgekehrt überzuspringen vermag. Daher erlebt die niederländische Nerzindustrie, die hunderte Millionen Euro schwer ist, nun ihren sofortigen und endgültigen Shut-down: Eigentlich war das Ende aller Pelzfarmen für 2024 festgelegt, nun soll spätestens mit Jahresende 2020 Schluss sein.
Tierleid für den Pelzmantel
Es war der Oberste Gerichtshof, der schon vor Jahren in einer eher moralischen Entscheidung verfügte, dass alle niederländischen Pelzfarmen bis 2024 geschlossen werden müssen – nämlich aus Gründen des Tierschutzes und, so komisch es klingen mag, der Menschlichkeit. Denn eine Pelzfarm ist nichts, das man gerne sehen möchte: Die recht possierlichen amerikanischen Nerze (der europäische Nerz ist fast ausgerottet und streng geschützt) fristen ihr trauriges und quälendes Dasein in Massenhaltungen. In den Zuchtbetrieben leben sie in kleinen Käfigen, bei denen nicht nur die Wände, sondern auch die Böden aus Metalldrähten bestehen – aus „hygienischen“ Gründen bekommen sie keinen festen Boden. Inzwischen werden selbst Legehennen besser behandelt, doch deren Bestimmung ist auch nicht der sichere Tod für die gehobene „Modeindustrie“. Bei ausreichender Größe werden die Nerze sodann vergast, nicht um sie schonend umzubringen, sondern damit die Felle möglichst unbeschadet und wertvoll bleiben, denn sie sollen ja dann zu Luxusmänteln, Pelzhauben und schmückenden Accessoires verarbeitet werden. Dass man im Europa des 21. Jahrhunderts noch glaubt, man müsse Tiere töten und ihnen das Fell abziehen, um daraus eine ohnedies lächerlich anmutende Kleidung für reiche Menschen herzustellen, ist geradezu pervers. Doch die Niederlande sind kein Einzelfall und nur der drittgrößte „Nerzproduzent“ Europas: Der Marktführer ist Dänemark mit dem mehr als zehnfachen Volumen der Niederlande, gefolgt von Polen. In Österreich, Großbritannien, Belgien, Tschechien und der Slowakei, aber auch im jugoslawischen Raum und weiteren Staaten sind Pelzfarmen hingegen mittlerweile verboten. In Deutschland führten strenge Schutzbestimmungen zu einem de-facto-Ende der Nerzindustrie.
Corona bringt krankes System zu Fall
In den Niederlanden brauchte es nun also die Corona-Epidemie, um die Sache zu beschleunigen. Inzwischen sind auf 40 (von über 120) Pelzfarmen des Landes Infektionen bei Tieren festgestellt worden, bereits 600.000 Nerze (von etwa einer Million) wurden zum Zwecke der CoViD-19-Eindämmung vorzeitig getötet. Das Parlament in Den Haag hatte bereits im Juni ein Gesetz vorgelegt, um die Nerzindustrie bis zum Jahresende zu schließen, nun zog die Regierung nach: Der Betrieb ist umgehend einzustellen, die Pelzfarmer sollen immerhin in Summe 180 Millionen Euro Entschädigung für die Vorverlegung erhalten. Es mag manchen einigermaßen beschämend erscheinen, dass erst die Angst vor massiven Infektionsherden in den Betrieben zu deren sofortiger Schließung führt, doch so funktioniert nun mal der Kapitalismus: Was ausreichend Profit einbringt, wird auch gemacht – auch (oder gerade) wenn es, wie die Produktion von Nerzpelzen, keinerlei realen Nutzen für die Menschen hat, sondern lediglich die exzentrischen und rücksichtslosen Luxusbedürfnisse der Reichen und Superreichen bedient: Viel kränker kann eine Herrschaftsklasse nicht sein. Und eines darf man angesichts der niederländischen Zoonosen auch anmerken: Mit viel imperialistischer und rassistischer Überheblichkeit unterstellte man der chinesischen Bevölkerung, sie sei mit ihren Tiermärkten, mit dem Verzehr von Fledermäusen oder der TCM-Verarbeitung von Schuppentieren für den Ausbruch der globalen Pandemie verantwortlich. Während es hierfür noch immer keine klaren Belege und wissenschaftliche Beweise gibt, darf man auch mal intensiver darüber nachdenken und untersuchen, welche Rolle westliche Pelzfarmen und ihre Haltungsbedingungen bei der Übertragung von Krankheiten aus dem Tierreich auf den Menschen spielen. Denn dass die niederländischen Zuchtnerze ein Einzel- oder gar Zufall sind, dürfte nicht allzu wahrscheinlich sein.
Quelle: National Geographic