Während sich die westlichen Medien und Politiker über grauenhafte Videos empören, die völlig abgemagerte Geiseln in den Händen der Hamas vorführen, ist die Bereitschaft, das alltägliche Leiden und Sterben im Gazastreifen mit der angemessenen Dramatik zu berichten, nach wie vor nicht vorhanden.
Gaza. Mehr als 2 Millionen Menschen sind größtenteils ihres Obdachs beraubt, irren im Freien herum oder sitzen bei sengender Hitze in Zelten, krank und erschöpft von Hunger, sind Freiwild für die israelische Armee. Von Sonnenaufgang bis 20.00 abends wurden am Sonntag im Gazastreifen mindestens 92 Menschen erschossen, darunter 56 Hilfesuchende. Die Menschen legen weite Strecken zurück, um zu einem der wenigen Ausgabepunkte zu kommen, die zumeist geschlossen sind. Währenddessen warten laut internationalen Angaben tausende LKW-Ladungen an den Grenzübergängen nach Gaza, die von Israel als Okkupationsmacht nicht hineingelassen werden. Alle anderslautenden Erklärungen in Propagandavideos des israelischen Staates sind Lügen.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag griff Israel ein „deutlich gekennzeichnetes Gebäude der Palästinensischen Rothalbmondgesellschaft (PRCS)“ in Khan Younis an, wie das internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bekanntgab. „Es ist inakzeptabel, dass Ersthelfer in Gaza – wie Omar (Omar Mansour Isleem, ein Mitarbeiter des Roten Halbmondes, der bei dem Angriff getötet wurde) und Mitarbeiter und Freiwillige des PRCS – jeden Tag zur Arbeit gehen, weil sie befürchten, nicht zu ihren Familien zurückkehren zu können“, sagte die Organisation. „Es ist eine Schande, dass so viele Mitarbeiter und Freiwillige des PRCS und andere Ersthelfer in den letzten 21 Monaten des Konflikts getötet und verletzt wurden“, klagte das IKRK an und fügte hinzu, dass humanitäres Personal „niemals angegriffen werden darf“. Ebenso wie medizinische Ersthelfer hat israel in diesem Krieg gezielt Krankenhäuser, Schulen, Universitäten, Wohnhäuser, Wasseraufbereitungsanlagen, Bäckereien und vieles mehr zerstört. Die Zerstörung der Lebensgrundlagen ist Teil des genozidalen Plans, den Israel mit diesem Krieg verfolgt.
„Jede Hungersnot in der Neuzeit ist vom Menschen verursacht, durch Politik – und vor allem durch Kriege, entweder aus Fahrlässigkeit oder absichtlich. In den letzten Jahren gab es Hungersnöte im Jemen, in Äthiopien, im Sudan, in Nigeria und in Syrien, alle waren menschengemacht. Und so ist das auch in Gaza: Wenn Israel wollte, dass jedes Kind in Gaza übermorgen etwas zu essen hat, dann wäre das möglich“ sagt der britische Anthropologe Alex de Waal in einem Interview mit dem Schweizer Tagesanzeiger. Er forscht an der Tufts University in Massachusetts zu Hungersnöten und ist Direktor der World Peace Foundation.
Quellen: Al Jazeera/Tages-Anzeiger