Die politische und Verfassungskrise in Peru spitzt sich weiter zu. Während die Proteste von der Polizei brutal unterdrückt werden, rufen die kommunistischen Parteien zum fortgesetzten Widerstand auf.
Lima. Nachdem eine Mehrheit des Kongresses den amtierenden Präsidenten Perus, Martín Vizcarra, des Amtes enthoben hatte, kommt es auf den Straßen der Hauptstadt seit Tagen zu Massenprotesten. 105 von insgesamt 130 Parlamentsabgeordneten hatten am vergangenen Montag für die Absetzung „wegen dauerhafter moralischer Unfähigkeit“ gestimmt, als Übergangspräsident wurde der Kongressvorsitzende Manuel Merino installiert – mit der mutmaßlichen Perspektive von Neuwahlen in einigen Monaten. Der Vorwurf gegen Vizcarra lautet ironischer Weise Korruption, obgleich der bisherige Präsident (seit 2018) sich zuletzt gerade als Antikorruptionskämpfer inszeniert hatte. Es ist nicht einmal besonders unwahrscheinlich, dass es hier in der Vergangenheit Bestechung und Bereicherung gegeben hat, allerdings laufen auch gegen rund die Hälfte der Kongressabgeordneten ähnliche Untersuchungen. Nichtsdestotrotz handelt es sich, nach zwei zuvor erfolglosen Versuchen, mit dem Parlamentsbeschluss vom 9. November um einen quasi-Putsch gegen den Präsidenten und seine Regierung, der von den rechtskonservativen Parteien der Oligarchie und dem Unternehmer- und Industriellenverband unternommen wurde. Doch Vizcarra steht selbst keineswegs links im politischen Spektrum, er kommt ebenfalls aus dem herrschenden politischen System, das vollständig verrottet ist.
Allerdings hatte sich der Präsident für eine neue Verfassung eingesetzt, wovon sich viele Peruaner und Peruanerinnen eine positive Wende versprechen: Das Land ist nach Jahrzehnten des Neoliberalismus und imperialistischer Ausbeutung – darunter die Jahre Fujimoris, US-höriger Ökonomen sowie „sozialdemokratischer“ Blender – von verheerenden Verhältnissen geprägt: Der mögliche Wohlstand aus dem Bergbau landet in den Taschen der oligarchischen Oberschicht und ausländischer Konzerne, die Bevölkerung ist in großen Teilen arm, insbesondere die über 40% Menschen mit indigenem Hintergrund. Insofern ist erklärlich, dass sich zigtausende Menschen an den anhaltenden Straßenprotesten gegen den „Parlamentsputsch“ und Merino beteiligen. Die Polizei ging hart gegen die Demonstranten vor, es gibt zahlreiche Verletzte, einige „Verschwundene“ und bislang zwei bestätigte Tote, die der Polizeibrutalität zum Opfer gefallen sind – in Konsequenz sind bereits drei Minister wieder zurückgetreten. Vieles in Peru erinnert an die Ereignisse in Chile und Bolivien in den vergangenen Monaten und Jahren. Doch es gibt (noch) zu wenig Widerstand einer organisierten Linken: Das Linksbündnis „Frente Amplio“ (FA) stellt nur acht Kongressabgeordnete. Es wird daher darauf ankommen, dass die außerparlamentarische Opposition und die Gewerkschaften die Proteste in die richtige Richtung treiben.
Die Peruanische Kommunistische Partei (Partido Comunista Peruano, PCP), FA-Gründungsmitglied, stellt die Losungen auf: „Weder Vizcarra noch Merino! Alle Korrupten und Ausbeuter müssen gehen! Für eine demokratische Volksmacht!“. Die PCP, wie auch die andere IMCWP-Mitgliedspartei, die Kommunistische Partei Perus (Partido Comunista del Perú – Patria Roja), fordert eine demokratische Übergangsregierung und die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung. Es werde eine neue Verfassung der Republik benötigt, die demokratische und Menschenrechte, wirtschaftliche und politische Souveränität der Bevölkerung, nationale Ressourcenkontrolle sowie ein öffentliches Bildungs- und Gesundheitssystem garantiert. Die Kommunisten rufen die Menschen zu Versammlungen und Protesten auf, um ihre Interessen zu bekunden und durchzusetzen. Die Gegner sind die herrschende Oligarchie und alle ihre politischen Parteien sowie die ausländischen Monopole und der Imperialismus. Doch auch diese Ziele können nur ein Übergang auf dem Weg zur revolutionären Überwindung des Kapitalismus sein – wo dies nicht konsequent versucht wird, bleiben Reformismus, Rebellion und Revolte stecken und die Oligarchie schlägt früher oder später zurück, wie die Beispiele Venezuela, Ecuador, Brasilien oder Bolivien zeigen.
Quelle: Der Standard / PCP