Rechtsextremismus, Rassismus, religiöser Fundamentalismus: Die neue Regierung Israels unter Benjamin Netanjahu ist ein Gruselkabinett, das innen- und außenpolitisch Schlimmes befürchten lässt.
Jerusalem. Seit gestrigem Donnerstag ist in Israel eine neue Regierung im Amt. Sie markiert einerseits das Comeback des mittlerweile 73-jährigen Benjamin Netanjahu als Ministerpräsident, andererseits hatte das Land noch nie in seiner Geschichte eine politische Führung, die derartig weit rechts stand.
Netanjahus Mehrheit in der Knesset ist – im Vergleich zur Vorgängerregierung – mit 64 von 120 Mandaten fast schon als „stabil“ zu titulieren. Sein eigener rechtskonservativer Likud stellt 32 Abgeordnete, die traditionellen religiösen Verbündeten, die sephardische „Schas“-Partei und das aschkenasische Thora-Judentum, steuern zusammen 18 weitere Sitze bei. Entscheidend war jedoch der Aufstieg der Bündnisliste „Religiöser Zionismus“ bei den Wahlen vom 1. November dieses Jahres: Sie erreichte 14 Mandate und wird nun eine relevante Rolle spielen – und dies ist definitiv keine gute Nachricht.
Nun mag Netanjahu selbst nicht gerade eine Taube sein, aber bei den Herren Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich hat man es mit einer ganz anderen Sorte rechtsnationalistischer Politiker zu tun. Im Prinzip gibt es wenig zu beschönigen: Die nun neu an der Regierung beteiligten Parteien sind rechtsextrem und rassistisch. Ginge es nach ihnen, so müsste ein großisraelischer, ethnisch gesäuberter, rein jüdischer Staat geschaffen werden, im Idealfall „vom Nil bis zum Euphrat“. Etwas realistischer ist das Ziel, zumindest alle palästinensischen Gebiete zu annektieren und die nichtjüdische Bevölkerung zu vertreiben – Araber sollen sich nur als minderwertige „Ausländer“ in Israel aufhalten können. Der palästinensischen Nation wird schlicht die Existenz abgesprochen. Dass die fraglichen religiös-rechtsextremen Gruppierungen nebenher gesellschaftspolitisch zutiefst reaktionär, antiliberal, frauenfeindlich und homosexuellenfeindlich sind, versteht sich sowieso von selbst.
Man soll den Teufel nicht an die Wand malen: Ben-Gvir und Smotrich werden ihr ideologisches Programm nicht 1:1 umsetzen können in der neuen Regierung. Doch es hätte keinen deutlicheren Schritt gegen jede Friedens- oder Zweistaatenlösung geben können als die nunmehrige Koalition Netanjahus mit dem äußersten rechten Rand. Antiarabische und antipalästinensische Repressionen sowie Apartheid-Facetten werden verstärkt werden, der illegale Siedlungsbau und schrittweise Annexionen werden gewiss ausgeweitet, die Konflikte werden zunehmen. Dies könnte zu neuen Eskalationen führen, sowohl innerhalb der engeren Region Israel/Palästina wie auch etwas weiter gefasst: Auch militärische „Präventivschläge“ gegen den Iran werden wohl wieder diskutiert werden. Der offene Krieg ist eine Option, gegenseitige Vernichtung wird in Kauf genommen. Es ist wenig beruhigend, wenn jemand wie Netanjahu in dieser Regierung die (relative) „Stimme der Vernunft“ sein muss.
Die Opposition hat wenig entgegenzusetzen. Ex-Ministerpräsident Jair Lapid und seine liberal-säkulare Partei „Jesch Atid“ führt diese mit 24 Abgeordneten an, ansonsten ist sie jedoch wenig homogen. Die einst stolze sozialdemokratische Awoda wurde auf vier Parlamentssitze zusammengestutzt. Stabil ist immerhin die Bündnisliste der Kommunistischen Partei Israels, „Chadasch-Ta’al“, die über fünf Abgeordnete in der Knesset verfügt. Sie ist die einzige Fraktion, die sich konsequent gegen Okkupationen und Annexionen stellt und für einen gerechten Frieden eintritt.
Quelle: ORF