Wien. Der heutige 26. Oktober ist österreichischer Nationalfeiertag. Als höchster Feiertag der Republik fungiert also nicht etwa der Tag der Ausrufung der Republik, der 12. November (1918), nicht der Tag der Unabhängigkeitserklärung Österreichs von Deutschland am 27. April (1945) und auch nicht der Tag der Unterzeichnung des Staatsvertrages betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich am 15. Mai (1955).
Der österreichische Nationalfeiertag verweist auf den 26. Oktober 1955. Damals beschloss der Nationalrat – einen Tag nach dem Abzug der letzten alliierten Besatzungstruppen – das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs (BGBl. Nr. 211/1955). – Es lautet:
Artikel I.
(1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.
(2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.
Artikel II.
Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut.
Es erscheint höchst an der Zeit und notwendig, die wechselnden Bundesregierungen anlässlich des Nationalfeiertages an die österreichische Neutralität zu erinnern. Seit Jahrzehnten haben Bundesregierungen unterschiedlicher Zusammensetzung die Neutralität ausgehöhlt und beschädigt – durch den EU-Beitritt und die Militarisierung der EU, durch den „Kriegsermächtigungsartikel“ 23j im Bundesverfassungsgesetz, durch die Mitgliedschaft in der NATO-„Partnerschaft für den Frieden“, durch Bundesheereinsätze unter NATO- und US-Kommando, durch das Staatspartnerschaftsprogramm mit der US-Nationalgarde oder zuletzt durch die Teilnahme am der Sky Shield-Initiative.
In politischer Hinsicht haben diverse Bunderegierungen – unter SPÖ- wie ÖVP-Führung – neutralitätswidrige Positionen bezogen, etwa schon bei der NATO-Aggression gegen Jugoslawien 1999 oder in der Gegenwart im Ukrainekrieg sowie im Nahostkonflikt. Die Regierungen und zumeist auch die parlamentarische Opposition beziehen Position für Kriegsparteien, für Besatzungsregimes, gegen UNO-Resolutionen und gegen Völkerrechtsnormen.
Es wäre dringend geboten, dass sich Österreich wieder zu einer aktiven Friedens- und Neutralitätspolitik bekennt und diese außenpolitisch und im internationalen Rahmen ausfüllt.