Linz. Mit viel medialem Getöse kündigte Ex-Kanzler Sebastian Kurz im Vorfeld der oberösterreichischen Landtagswahlen 2021 die Gründung einer neuen Technischen Universität an: die „IT:U“ (Interdisciplinary Transformation University Austria) – eine Digitaluni, die angeblich den Wirtschaftsstandort Oberösterreich sichern und Österreich zur digitalen Avantgarde führen soll. Nach Jahren des politischen Schacherns scheint nun ein Standort in Linz fix: das Gelände des früheren Biologiezentrums in Dornach, angrenzend an die JKU.
Doch was als Fortschrittsprojekt verkauft wird, ist in Wahrheit ein klassisches Beispiel kapitalistische Standortpolitik, die öffentliche Ressourcen zugunsten wirtschaftlicher Interessen umverteilt – auf Kosten demokratischer Kontrolle, ökologischer Vernunft und sozialer Gerechtigkeit.
Eine „Universität“ ohne demokratische Kontrolle
Obwohl die IT:U als öffentliche Universität firmiert und somit aus dem allgemeinen Unibudget finanziert wird, fällt sie nicht unter das Universitätsgesetz – also jenes Regelwerk, das für alle anderen öffentlichen Unis in Österreich gilt. Stattdessen bekommt die IT:U ein eigenes Gesetz – maßgeschneidert für ein Projekt, das offenbar lieber am Markt agieren als im öffentlichen Bildungsauftrag wirken will. Seit Oktober 2024 findet ein regulärer universitärer Betrieb statt.
Diese Sonderbehandlung bedeutet konkret: weniger Mitbestimmung, andere Berufungsverfahren, schwächere Transparenzpflichten. In zahlreichen Stellungnahmen von Bildungsexpertinnen und ‚experten sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wird deshalb das Wort „Universität“ bereits in Anführungszeichen gesetzt. Denn was hier entsteht, ist weniger ein Ort der kritischen Wissenschaft als ein digitales Ausbildungszentrum im Sinne der Industrie. Vielleicht hat sie deswegen inzwischen ihren dritten Namen, von der TU Linz über Institute of Digital Sciences Austria (IDSA) zu nun Interdisciplinary Transformation University Austria.
Doppelgleisigkeit statt Ausbau bestehender Einrichtungen
Schon heute existieren in Österreich mehrere Universitäten und Fachhochschulen mit ausgeprägten Schwerpunkten in IT und Digitalisierung – etwa in Wien, Graz oder Linz selbst. Die Johannes Kepler Universität betreibt nicht nur moderne Forschungszentren in diesem Bereich, sondern kooperiert bereits intensiv mit Unternehmen. Warum also eine neue, teure Institution gründen, anstatt die bestehenden auszubauen?
Die Antwort liegt in der politischen Symbolik. Die IT:U ist ein Prestigeprojekt, das Kurz & Co. nutzen wollten, um sich als Macher zu inszenieren – ohne Rücksicht auf wissenschaftliche Vernunft oder gesellschaftliche Notwendigkeiten. Dass eine Universität aus wahlstrategischen Gründen aus dem Boden gestampft wird, sagt viel über den Zustand der österreichischen Hochschulpolitik aus.
Bau auf Grünfläche – gegen jede ökologische Vernunft
Auch stadt- und umweltpolitisch ist das Projekt eine Katastrophe. Der nun favorisierte Standort – eine rund 35.000 m² große Grünfläche des ehemaligen Biologiezentrums – wäre für den Bau der IT:U zwar „praktisch“, aber ökologisch verheerend. Zu Recht wird gefordert, das Projekt auf bereits versiegelte Flächen wie die Post City zu verlegen. Doch der Flächenfraß zugunsten einer Hochglanz-Uni schreitet voran – koste es, was es wolle. Statt ein stillgelegtes Biodiversitätszentrum zu reaktivieren, soll es nun gleich Teil eines riesigen, neuen Uni-Campus werden – als Alibi für einen Umbau im Sinne der Tech-Eliten.
Wissenschaft als verlängerte Werkbank der Industrie
Die IT:U steht sinnbildlich für eine Entwicklung, die viele Universitäten längst erfasst hat: Bildung wird zur Ware, Wissenschaft zum Dienstleister, der Output (also Absolventinnen und Absolventen und auch wichtig Patente) muss verwertbar, marktkonform und effizient sein. Kritik, Gegenmacht, gesellschaftliche Reflexion? Fehlanzeige bis auf wenige Bastionen.
Das Ziel ist nicht Bildung für alle, sondern Ausbildung – möglichst wirtschaftsnah, möglichst verwertbar, möglichst unkritisch.
Die Gründung der „IT:U“ zeigt, wohin die Reise geht: hin zu einer neoliberalen Wissensproduktion, die den Profit über das Gemeinwohl stellt. Außerdem zeigt sie erneut Geld ist da, solange es den Kapitalinteressen entspricht, gekürzt wird nur bei den Armen!
Quelle: ORF