Die SPÖ sieht sich bereits im Bundeskanzleramt, was dies- und jenseits der Leitha Ansprüche auf die politische Spitzenfunktion samt Luxusgehalt befördert. Die Alternativen Rendi-Wagner und Doskozil sind keine für die Arbeiterklasse.
Wien/Eisenstadt. Österreichs Sozialdemokratie gibt wieder einmal ein seltsames Bild ab: Während die Bundesregierung und insbesondere die ÖVP eine Steilvorlage nach der anderen liefern und die SPÖ die Bälle eigentlich nur noch geruhsam ins Netz schieben müsste, arbeiten die Blassroten lieber an Eigentoren. Abermals geht es um die Frage, wer die SPÖ-Liste in die nächste Nationalratswahl führen und somit mutmaßlich ins Bundeskanzleramt einziehen soll. Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner ist – kraft der Unterstützung der Wiener SPÖ – an sich weiter in der Poleposition, doch aus dem Burgenland werden wenig subtil neuerliche Zweifel geschürt und lanciert.
Konkret hat die SPÖ-Landespartei offenbar eine Umfrage in Auftrag gegeben und veröffentlicht, wo es um die „Sonntagsfrage“ unter zweierlei Spitzenkandidaturen geht: Unter Rendi-Wagner käme die SPÖ demnach auf 27 Prozent (und den ersten Platz), sollte aber der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil als Kanzlerkandidat antreten, dann könnte die SPÖ sogar 32 Prozent erreichen. Der Grund ist klar: Es sind Doskozils forsche Positionen in der Asyl- und Migrationspolitik und nicht die sozial engagierten Facetten der burgenländischen SPÖ, die zusätzliche Stimmen zulasten der FPÖ (und ÖVP) brächten. Jedenfalls herrscht wieder Unruhe in der cisleithanischen SPÖ-Hälfte, manche Funktionäre sprechen gar von einem „parteischädigenden Verhalten“ Doskozils bzw. seiner Landespartei.
Nun fände die nächste Nationalratswahl in Österreich ohnedies erst im Herbst 2024 statt, wenngleich unsicher erscheint, ob sich die gegenwärtige Koalition aus ÖVP und Grünen bis dahin durchwurschteln will und kann. Dass die SPÖ seit langem die Umfragen anführt, ist tatsächlich weniger ihrer Stärke als der Schwäche der Regierung und der Selbstzerstörung der türkisen ÖVP geschuldet. In den Medien und der Öffentlichkeit sind es vielmehr FPÖ-Obmann Kickl und teilweise NEOS-Chefin Meinl-Reisinger, die sich als Oppositionsführungskräfte inszenieren können. Insofern streitet man in der SPÖ mit der „Führungsdebatte“ eher um das Fell eines noch nicht erlegten Bären.
Dass man in der Sozialdemokratie überhaupt mehr mit der Vergabe kommender Spitzenämter als mit konsequenter, kantiger, sozialer und neutralitätskonformer Oppositionspolitik beschäftigt ist, wirft kein gutes Licht auf sie. Während den arbeitenden Menschen das Geld ausgeht und das Leben unleistbar wird, fragt sich die SPÖ offenbar lieber, wer das fürstliche Monatsgehalt von 22.640 Euro als Bundeskanzler/in einstreifen soll. Der existenziell bedrohten Bevölkerung ist damit auf keinen Fall geholfen, denn schlussendlich ist weitgehend egal, ob Rendi-Wagner oder Doskozil abkassiert.
Quelle: Der Standard