Der folgende Artikel erschien 2009 auf kominform.at als Analyse der Einbindung von SPÖ und FSG in das System des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Österreich. In den letzten elf Jahren mögen sich diesbezüglich freilich die Namen geändert haben und manche Strukturen reorganisiert worden sein, doch darum geht es ja auch: Um eine sich reproduzierende Systematik, wo handelnde Personen sowie Strohmänner und ‑frauen wechseln, die anpassungsfähig ist, aber am Ende immer zum gleichen Ergebnis und Zweck führt, zur profitorientierten Teilhabe des sozialdemokratischen Apparates am Kapitalismus zulasten der Arbeiterklasse. Dies wird hier verdeutlicht. Wir bringen eine gekürzte Version des Originalbeitrages.
Wie tief stecken SPÖ und FSG im Finanzkapitalismus?
Die österreichische (und hier v.a. die Wiener) Sozialdemokratie gilt als einer der bestorganisierten politischen Apparate der Welt. Die SPÖ und ihre Vorfeldorganisationen begleiten ihre Mitglieder schon sprichwörtlich „von der Wiege bis zur Bahre“. Weniger bekannt ist, dass hinter der Sozialdemokratie nicht nur längst nicht mehr die Idee der Schaffung einer eigenständigen Kultur und Lebensgemeinschaft der Arbeiterklasse steht, sondern und stattdessen mittlerweile ein regelrechter finanzkapitalistischer Konzern, der für führende Funktionäre Profitinstrument ist und selbst zu den offenen Ausbeutern der arbeitenden Menschen zählt. Die sozialdemokratischen Kapitalfreunde spinnen dabei ein Netzwerk aus Aufsichtsrats- und Vorstandsposten in Banken und Konzernen, politischen Mehrfachfunktionen und Staatsämtern, wo jeweils kräftig abgecasht wird, und „SP-nahen“ Privatkapitalisten und Spitzenmanagern – alles ganz im Sinne der Bildung einer Verflechtung von Finanzoligarchie und Staatswesen zum sozialdemokratischen Bereich des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Österreich.
SPÖ-Bundeskanzler im Dienste der Banken und Konzerne
Um die Kapital- und Finanzverstrickungen der SPÖ-Führung zu verbildlichen, genügt ein Blick auf die SPÖ-Vorsitzenden und Bundeskanzler der jüngeren Vergangenheit.
Mit Franz Vranitzky, 1984–1986 schon Finanzminister und 1986–1997 Bundeskanzler, trat erstmals ein Bankmanager an die Spitze der österreichischen Sozialdemokratie. Er kam aus der Länderbank, wo er 1981–1984 Generaldirektor und Vorstandsmitglied war; zuvor, 1976–1981, war Vranitzky stellvertretender Generaldirektor der Creditanstalt CA – beide Institute wurden, nachdem sie mit der Zentralsparkasse zur Bank Austria vereinigt worden waren, zuerst an das deutsche Finanzkapital (HypoVereinsbank), dann an das italienische (UniCredit) verkauft. Nach seinem Rücktritt aus der Politik kehrte Vranitzky wieder dorthin zurück, wo er herkam, und wurde Konsulent der Westdeutschen Landesbank. Daneben übernahm er auch Aufsichtsratsmandate in Frank Stronachs Magna-Konzern und bei der TUI AG bzw. der Preussag AG (inzwischen von der OMV übernommen).
Auf Vranitzky folgte 1997 Viktor Klima als SPÖ-Vorsitzender und Bundeskanzler (bis 2000). Klima kam 1992 aus dem vormals verstaatlichen, inzwischen mehrheitlich privatisierten Öl- und Gaskonzern OMV direkt in die Bundesregierung, zunächst als Verkehrs‑, dann als Finanzminister, ehe er Vranitzky im Jahr 1997 beerben durfte. Nach seinem Rücktritt wurde Klima zunächst Leiter der Volkswagen-Niederlassung in Argentinien, seit 2007 ist er als VW-Chefmanager für ganz Südamerika zuständig.
Auf Klima folge wiederum Alfred Gusenbauer als SPÖ-Vorsitzender (2000), schließlich wurde er 2007–2008 auch Bundeskanzler. Gusenbauer kam direkt aus dem FSG-Apparat, von 1990 bis 1999 war er Angestellter der Arbeiterkammer Niederösterreich, nebenbei konnte er sein Einkommen als SPÖ-Parlamentarier aufbessern: zunächst (1991–1993) im Bundesrat, dann (1993–2007) als Nationalratsabgeordneter. Nach seinem Kurzengagement als Kanzler ließ sich Gusenbauer 2009 wieder bei der AKNÖ anstellen, nämlich als Referatsleiter für Europafragen, was jedoch bloß mit einem bescheidenen Monatsgehalt von 4.000 Euro dotiert ist. Daher gründete Gusenbauer gleichzeitig auch noch sein eigenes Unternehmen, nämlich eine „Projektentwicklung & Beteiligung GmbH“.
Regierungssozialdemokraten als Kapitalmanager
Weitere ehemalige SPÖ-Regierungsmitglieder haben ihre Verbindungen zum Finanz- und Großkapital. Zu nennen wäre etwa Wolfgang Ruttenstorfer, der 1992 bei der OMV Viktor Klima als Vorstandsdirektor nachfolgte. 1997 folgte er Klima auch in die Bundesregierung, nämlich als Finanzstaatssekretär 1997–2000. Danach kehrt Ruttenstorfer wieder in den OMV-Vorstand zurück, wo er 2002 schließlich Generaldirektor und Vorstandsvorsitzender wurde. Nebenbei übt Ruttenstorfer Aufsichtsratsmandate bei der Wiener Städtischen, der Wiener Börse und beim Schweizer Pharmakonzern Roche aus.
Bemerkenswert erscheint auch Karl Schlögl, 1997–2000 Innenminister für die SPÖ, zuvor Staatssekretär, seit 2005 wieder Bürgermeister von Purkersdorf. Schon seit 2004 sitzt Schlögl im Aufsichtsrat der Novomatic AG. Dabei handelt es sich um den wichtigsten und größten privaten Glücksspielkonzern Österreichs, der sowohl Spielstätten betreibt als auch Spielautomaten herstellt und gegen den wegen mutmaßlicher systematischer Automatenmanipulation zuungunsten der Kunden seitens der Landeskriminalamtes NÖ ermittelt wird. Und Schlögl ist nicht der einzige Politiker mit Verbindungen zu Novomatic.
Eine Erwähnung verdient sich auch Brigitte Ederer. Sie war 1983–1992 SPÖ-Nationalratsabgeordnete (und 1977–1992 AK-Angestellte), bis sie in der Bundesregierung EU-Staatssekretärin wurde und fragwürdige Kampagnen für den EU-Beitritt Österreichs forcierte. Danach war Ederer SPÖ-Bundesgeschäftsführerin (1992–1997) und Wiener Finanzstadträtin (1997–2000). Im Jahr 2000 wurde sie Vorstandsmitglied bei der Siemens AG Österreich, wo sie seit 2005 Generaldirektorin und Vorstandsvorsitzende ist in der Nachfolge Albert Hochleitners, eines ehemaligen BAWAG-Aufsichtsrats.
Zuletzt soll nach Andreas Rudas genannt werden, 1997–2000, in der Nachfolge Ederers, SPÖ-Bundesgeschäftsführer, schon zuvor Pressesprecher im Innenministerium. Vor seinem Engagement in der Politik war Rudas ORF-Generaldirektor. Im Jahr 2000 wurde Rudas „Kommunikationschef“ im Magna-Konzern Frank Stronachs, in dessen Auftrag er auch das Vizepräsidentenamt (2000–2008) beim Fußballverein FK Austria Wien übernahm, wo heute (seit 2007) Wolfgang Katzian Präsident ist, seines Zeichens GPA-djp-Vorsitzender und Nationalratsabgeordneter der SPÖ. 2005 wurde Rudas Aufsichtsratsvorsitzender beim Softwareunternehmen JoWood und Leiter des Ost- und Südosteuropageschäfts der WAZ Mediengruppe. 2008 schließlich wechselte Rudas in den Vorstand der RTL Group, wo der österreichische Sozialdemokrat Gerhard Zeiler, immerwährende „Personalreserve“ der SPÖ, das Zepter schwingt. Seinen ehemaligen Job in der SPÖ-Bundesgeschäftsstelle übt heute übrigens seine Nichte Laura Rudas aus.
Sozialdemokratische Vorzeigekapitalisten
Bis 2008 auch im Aufsichtsrat der BAWAG saß Hannes Androsch, schon seit geraumer Zeit der Vorzeigekapitalist der SPÖ. Androsch war bereits unter Bundeskanzler Kreisky in den SPÖ-Alleinregierungen Finanzminister (1970–1981) und Vizekanzler (1976–1981), ehe er im Zuge des AKH-Skandals den Hut nehmen musste. Er wurde daraufhin Generaldirektor der Creditanstalt (1981–1988), 1988 kurzfristig Konsulent der Weltbank, eines zentralen Apparates des internationalen Finanzimperialismus, um sodann sein eigenes Imperium zu begründen: Seit 1989 ist Androsch Geschäftsführer der AIC-Androsch International Consulting, seit 1994 ist er Miteigentümer (und Aufsichtsratsvorsitzender) von AT&S, dem größten Leiterplattenhersteller Europas. Als 1997 die Salinen AG privatisiert wurde, übernahm Androsch diese gemeinsam mit der Raiffeisenbank und wurde Aufsichtsratsvorsitzender. Diese Privatisierung hatte die letzte Regierung Vranitzky zu verantworten, wobei Vranitzky ein alter Bekannter von Androsch ist: 1970–1976, als Androsch Finanzminister war, fungierte Vranitzky als dessen wirtschafts- und finanzpolitischer Berater. Indirekt gehören zur Salinen AG auch Beteiligungen am Lebensmittelunternehmen Kotanyi, an Fischer Advanced Composite Components (FACC), einem Hersteller von Flugzeugkomponenten, der einer der Hauptprofiteure der Eurofighter-„Gegengeschäfte“ war, sowie am Immobilien- und Tourismusgeschäft im Salzkammergut. Weiters ist Androsch – unabhängig von der Salinen AG – auch Aufsichtsratsvorsitzender beim Online-Wettanbieter bwin, wo er ebenfalls eine Beteiligung hält. Eine kleinere Beteiligung ging sich für Androsch auch an der BAWAG aus, als diese vom ÖGB an den Cerberus-Fonds verkauft wurde. Seit November vergangenen Jahres ist Androsch auch Aufsichtsratsvorsitzender der Finanzmarktbeteiligung AG des Bundes (FIMAG), die als erstes die konkursreife Kommunalkredit Bank übernahm, aus deren Management übrigens SPÖ-Bildungsministerin Claudia Schmied kommt. Von 1992 bis 1998, zuletzt als Präsident, saß Androsch im Aufsichtsrat der Riegerbank, die 1998 Pleite ging, liquidiert werden musste und zahlreiche geschädigte Kunden hinterließ.
Erwähnenswert ist auch Rudolf Streicher, SPÖ-Verkehrsminister 1986–1992. Bevor er in die Bundesregierung kam, war er Vorstandsmitglied der Vereinigten Metallwerke Ranshofen Berndorf (1974–1980) und Generaldirektor und Vorstandsvorsitzender der Austria Metall AG (1981–1986). Streicher verließ 1992 die Politik, als er als SPÖ-Kandidat bei der Bundespräsidentenwahl gegen Thomas Klestil unterlag, und wurde Generaldirektor der Steyr-Daimler-Puch AG. Dies blieb er bis zum Verkauf des Konzerns an Frank Stronach (1998), woraufhin Streicher zwischenzeitlich in dessen Magna-Konzern als Aufsichtsrat wechselte. 1999–2001 war Streicher Vorstandsvorsitzender der staatlichen Privatisierungsagentur ÖIAG, danach Aufsichtsratspräsident bei Böhler bzw. der Voestalpine AG. Heute ist Streicher Mehrheitseigentümer der privatisierten Steyr Motors GmbH und Aufsichtsratsvorsitzender des Hedge-Fonds Superfund.
Das Firmenimperium der SPÖ Wien
Die Wiener Sozialdemokratie hat als kommunaler Gesamtkapitalist eine regelrechtes Firmen- und Beteiligungsnetzwerk errichtet, das heute weit über die Landes- und sogar Staatsgrenzen hinausgeht. Um dieses Netzwerk darzustellen, kann man von der „Gewista“ ausgehen. Ursprünglich, 1921, eine Magistratsabteilung der Gemeinde, wurde die Gewista ausgegliedert und privatisiert. Sie ist heute das größte Außenwerbungsunternehmen Österreichs (65% Marktanteil, Umsatz im dreistelligen Millionenbereich), mit Tochterunternehmen in Ungarn, der Slowakei und der Tschechischen Republik. Die Gewista vermarktet in Wien rund 40.000 Plakatflächen, 1.500 Litfaßsäulen, über 4.000 „City Light“-Flächen (von hinten beleuchtete Plakate) sowie an die 600 Rolling Boards. Die Gewista-Tochter Infoscreen Austria betreibt elektronische Außenwerbung, d.h. insbesondere Großbildprojektionen in U‑Bahn-Stationen (und, seltener, in U‑Bahn-Zügen). 2003 bekam die Gewista von der Gemeinde Wien auch noch die Organisierung des Fahrradverleihsystems übertragen (Citybike Wien). Immer wieder wird der Gewista vorgeworfen, in Wahlkämpfen die SPÖ gegenüber anderen Listen durch günstigere Freundschaftspreise für ihre Plakatwerbung zu bevorzugen. Jedenfalls wirkt es so, als gäbe es ein wechselseitiges Zuschanzen von Aufträgen seitens SPÖ und Gewista.
33% der Gewista hält die Progress Beteiligungsgesellschaft (zu dieser weiter unten), 40% hält die AWH-Beteiligungsgesellschaft, die wiederum dem Verband der Wiener Arbeiterheime (VWA) gehört – und somit letztlich der SPÖ, wie der AWH-Geschäftsführer freimütig eingesteht. Dieser Geschäftsführer, nicht nur der AWH, sondern auch des VWA, ist Helmut Laska, Ehemann der erst kürzlich zurückgetretenen Wiener Vizebürgermeisterin Grete Laska. Helmut Laska ist nebenbei auch noch Rechnungsprüfer des Kuratoriums Fortuna (Senioren-Wohnanlagen), Aufsichtsratsmitglied der Sozialbau AG und der Urbanbau GesmbH sowie – natürlich – Mitglied des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes. Zur AWH gehört (zu 100%) außerdem das Echo Medienhaus, das 30 Zeitschriften und Magazine (z.B. Wienlive, VOR-Magazin, Bezirksblatt), einen Buchverlag, TV- und Multimediaproduktionen sowie eine Reihe von Eventmarken innehat.
Und weitere SPÖ-Politiker und sozialdemokratische Mandatare finden sich in wichtigen Positionen und Funktionen rund um dieses Firmennetzwerk. Harry Kopietz, Wiener Landtagspräsident, ist stellvertretender Vorsitzender im VWA und Aufsichtsrat der AWH. Karl Hengelmüller, ehemaliger Wiener SPÖ-Landtagsabgeordneter, ist VWA-Vorsitzender und ebenfalls AWH-Aufsichtsrat. Weiters im AWH-Aufsichtsrat findet man AK-Direktor Werner Muhm (FSG), ORF-Stiftungsrat Klaus Stadler, den Bundesratsabgeordneten und leitenden Sekretär der SPÖ Wien Reinhard Todt, den Vorsitzenden des Kuratoriums Fortuna und stellvertretenden Vorsitzenden der Volkshilfe Wien Karl Svoboda sowie Rudolf Wandl, Bundesgeschäftsführer des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes.
Praktischerweise haben gleich beide – VWA und AWH – ihren Sitz in der Lindengasse 55 in Wien-Neubau. Hier laufen also die Fäden des Firmenimperiums der SPÖ Wien in den Händen von Helmut Laska zusammen. Laut eigenen Angaben ist der VWA zu 50% am der Aphrodite Bauträger AG beteiligt sowie, wie gesagt, zu 100% an der AWH, die wiederum 100% des Echo Medienhauses (gleich um die Ecke in der Schottenfeldgasse) und 40% der Gewista besitzt. Weiters verfügt die AWH über einen 50%-Anteil an der Veranstaltungsagentur Scheibmeier GesmbH (verantwortlich für die Hauptbühnen des Donauinselfestes), einen 40%-Anteil an der Progress Beteiligungsgesellschaft (Rest: Wiener Städtische), die wiederum einen zusätzlichen 33%-Anteil an der Gewista hält. Darüber hinaus besitzt die AWH einen Anteil von 27,2% an der Sozialbau AG, Österreichs größtem „gemeinnützigem Wohnhausverwalter“ (ca. 45.000 Wohnungen). An dieser Sozialbau AG ist auch die SPÖ Wien mit 2,9% beteiligt, die Bundes-SPÖ lediglich mit 0,1%. Bequemerweise hat die Sozialbau AG ihren Sitz – wo wohl? – in der Lindengasse 55.
Der sozialdemokratische Gesamtkapitalist bestimmt die SP-Politik
Bei all den Namen, die gefallen sind, muss hervorgekehrt werden: diese Namen, diese Personen sind auswechselbar. Sie verbildlichen generell und sie tragen momentan ein zusammenhängendes System, das sich in der Sozialdemokratie selbst reproduziert und an ihrer Spitze kontrolliert wird. Dieses System bedeutet nicht nur die unbedingte Unterordnung der Sozialdemokratie unter den Kapitalismus und seine Bedürfnisse, sondern auch die Teilhabe der SPÖ- und FSG-Führung am und ihre Integration in den Kapitalismus. Die Führung der Sozialdemokratie verteidigt die Bedürfnisse des Kapitalismus heute als ihre eigenen. Dass es ihr dabei immer noch gelingt, die Masse der arbeitenden Menschen an sich zu binden, ist zum Teil einer sozialen Phraseologie und traditioneller Folklore geschuldet, zum größeren Teil aber dem dahinterstehenden Netzwerk. Ob bei der SPÖ nun tatsächlich eine „Organisationstruktur, die jener der Mafia ähnelt“, wie eine uns zugetragene Analyse von innerhalb der Sozialdemokratie lautet, vorliegt, sei dahingestellt. Aber immerhin drängt sich zumindest der Eindruck auf, dass immer wieder diverse Clanstrukturen auf Basis feudalmäßiger Abhängigkeiten die Fäden ziehen, was jedoch auch bedingt, dass es ein Neben- und Gegeneinander verschiedener Cliquen gibt, die um die Vorherrschaft kämpfen.
Letzten Endes ist die österreichische Sozialdemokratie in jedem Fall ein Syndikat im kapitalistischen Sinn. Das bedeutet auch, dass sich ihre Zweckmäßigkeit auf erweiterter Ebene immer wieder reproduziert: Wenn hinter der Sozialdemokratie ein kapitalistisches Netzwerk von Beteiligungen, Aufsichtsräten und Privatkapitalisten steht, so sind diese die materielle Grundlage des politischen Handelns, das wiederum im Dienste der ureigensten Zwecke dieser Firmen und „sozialdemokratischen“ Kapitalisten stehen muss – und der Kapitalismus kennt nun mal keinen anderen Zweck als die Profitmacherei. Für die Masse der SPÖ-Anhänger und ‑Wähler bleiben da natürlich nur schöne Phrasen, Werbelügen, falsche Versprechungen, ein paar Almosen und hin und wieder ein Volksfest. Im Inneren gliedert sich der SP-Konzern in mehrere Ebenen: Auf der untersten Ebene werden die Angestellten in klassisch neoliberal-kapitalistischer Manier ausgebeutet; auf der mittleren Eben werden die Angestellten ebenso ausgebeutet, aber immerhin mit dem Gefühl der sicheren Versorgung ausgestattet und gebunden; und auf höherer Ebene schafft sich die Sozialdemokratie eine Managerelite, die sich nicht von jener der ÖVP und des Raiffeisenverbandes, nicht von jener der FPÖ und ihrer Geldgeber unterscheidet. Auf höchster Ebene sitzen sodann die Spitzen- und Multifunktionäre auf ihren astronomischen Gagen, die nicht nur der SP-Konzern selbst, sondern auch die sozialdemokratische Realpolitik im staatlichen Bereich ermöglicht.
Dahinter steht die angebliche „Klassenharmonie“, der SPÖ-ÖVP-Konsens der Zweiten Republik auf Basis der so genannten „Sozialpartnerschaft“. Die endgültige Preisgabe des Klassenkampfes, den man in der Ersten Republik zumindest noch in Worten erwähnte, und des Klassenstandpunktes seitens der SPÖ bildete nach 1945 die Grundlage der Zweiten Republik, in der sich SPÖ und ÖVP geschwisterlich die politische – und dann auch die ökonomische – Macht teilen sollten und wollten. Die SPÖ erhielt auf diese Weise weitgehend gleichmäßig Zugang zur politischen Macht und zu Staatsfunktionen und wurde integraler Bestandteil des staatsmonopolistischen Systems in Österreich. Die SPÖ-Führung war bereit, hierfür die Interessen der Arbeiterklasse regelrecht zu verkaufen; die ÖVP (und damit die bürgerlichen Kapitalisten) erhielt im Gegenzug eine von der SPÖ- und ÖGB-Führung gegängelte Arbeiterklasse, die sich mit dem Kapitalismus abfinden und keinen Gedanken mehr an Klassenkampf, Revolution und Sozialismus verschwenden sollte. Ideologisch bedeutete dies, dass die SPÖ-Führung die Illusion der „sozialen Marktwirtschaft“ erfand, die das Ziel des Sozialismus ersetzen soll, sowie der „Sozialpartnerschaft“, die den Klassenkampf, selbst auf niedrigstem Level, ersetzen soll. Dies ist der Inhalt des sozialdemokratisch-konservativen Konsenses, der die politische und ökonomische Herrschaftsgrundlage der Zweiten Republik und die Unantastbarkeit des Kapitalismus bedeuteten sollte. Und als in den 1980er Jahren auch in Österreich die „neoliberale“ Wende eingeläutet wurde, machte die SPÖ-Führung diese kapitalistische Offensive bereitwillig mit und setzte sie sogar selbst in Regierungsverantwortung um und gegen die Interessen der Arbeiterklasse durch.
Heute, in Zeiten der Weltwirtschaftskrise, rächt sich das alles. Die arbeitenden Menschen werden ungeschützt von der Wucht der Krise getroffen, während die SPÖ als Seniorpartner in der Bundesregierung bereitwillig Milliardenbeträge an die Banken ausschüttet. Die Banken und Konzerne werden „gerettet“, die Krisenfolgen werden auf den Rücken der einfachen Menschen in ihren Funktionen als Arbeitnehmer (oder Arbeitslose), als Konsumenten und als Steuerzahler abgewälzt. Das ist das Ergebnis sozialdemokratischer Politik – und es ist ein logisches Ergebnis. Die österreichische Sozialdemokratie kann nicht anders, denn sie ist – entgegen allen Beteuerungen – längst keine Partei für die Arbeitenden mehr, sondern höchstpersönlich tief verstrickt in den und sogar eine tragende Säule des österreichischen Kapitalismus und EU-Imperialismus. Die Sozialdemokratie hat sich von der Arbeiterklasse emanzipiert und dem Kapital zugewendet. Es ist höchste Zeit, dass sich umgekehrt auch die Arbeiterklasse von der Sozialdemokratie emanzipiert.
Quelle: kominform.at-Archiv