WHO-Chef Tedros fordert die gerechte weltweite Verteilung der Corona-Impfstoffe, um die Pandemie zu beenden. Dass die reichen Länder gegenwärtig den Großteil der Dosen an sich raffen und für Auffrischungen verwenden, sei kontraproduktiv und werde sich rächen.
Genf. „Auffrischungsprogramme werden die Pandemie wahrscheinlich verlängern, anstatt sie zu beenden“, meint Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), angesichts der vielerorts forcierten „Booster“-Impfungen gegen CoViD-19. Das klingt zunächst seltsam, denn dass nach einiger Zeit – nämlich früher als gedacht – die immunisierende Wirkung der bisherigen Corona-Vakzine nachlässt und durch einen dritten Stich wieder verbessert werden kann, liegt auf der Hand. Doch Tedros, selbst studierter Immunologe und ehemaliger äthiopischer Gesundheitsminister, sieht die Sache etwas globaler: Er kritisiert die flächendeckenden Auffrischungsimpfungen in den reichen Ländern, da die hierfür verwendeten Impfdosen besser in ärmeren Regionen der Welt verwendet werden sollten.
Konkret fordert der WHO-Chef, dass umgehend das Gesundheitspersonal und gefährdete Personengruppen in den benachteiligten Weltgegenden Afrikas, Asiens und Lateinamerikas geimpft werden müssten, um der Pandemie den Boden zu entziehen. Die WHO geht davon aus, dass bei einer globalen Impfrate von 40 Prozent in jedem Land die akute Phase der Pandemie beendet wäre. Stattdessen ist jedoch mehr als die Hälfte der WHO-Mitglieder von diesem Ziel weit entfernt, da sich der globale Norden mit seiner Finanzkraft den Großteil der produzierten Impfdosen zulasten der „Dritten Welt“ sichert. Diese ungleichmäßige und ungerechte Verteilung ist natürlich ein Ergebnis des Kapitalismus und Imperialismus – und tatsächlich jene Grundlage, die für ein Andauern der Pandemie sorgen könnte.
Die niedrige Impfrate in den ärmeren Ländern gibt dem Virus die Gelegenheit, sich in diesen unterversorgten Gebieten auszubreiten und, wie man an Omikron sieht, neue Varianten zu entwickeln, die sich natürlich auch wieder nach Europa und Nordamerika ausbreiten. Will man die Pandemie wirksam bekämpfen, so wird dies nur im globalen Maßstab möglich sein – Impfprotektionismus und die Vernachlässigung ganzer Kontinente, wie im afrikanischen Fall, sind nicht nur ungerecht, sondern kontraproduktiv. Auf diese Weise wird man Corona nicht besiegen können, meint Tedros.
Quelle: ORF