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Maskenpflicht im Supermarkt, Regierung im TV

Im Laufe der letzten Woche stiegen die Corona-Infektionszahlen in Österreich um täglich über 100 neue Fälle. Die ÖVP-grüne Bundesregierung kündigte nun Gegenmaßnahmen an.

Wien. Wie die österreichische Bundesregierung Dienstag-Nachmittag in einer abermaligen Medieninszenierung bekanntgab, werden die Anti-Corona-Maßnahmen wieder bundesweit ausgeweitet. Mit kommendem Freitag, 24. Juli, wird das Tragen einer Mund-Nasen-Schutzmaske (MNS) in Supermärkten, Banken und Postfilialen neuerlich verpflichtend. Zuletzt galt dies nur noch für öffentliche Verkehrsmittel und Taxis, Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser, Arztpraxen oder Apotheken, bei Dienstleitungen und Demonstrationen, wenn kein Sicherheitsabstand möglich ist, sowie bei Indoor-Veranstaltungen abseits des Sitzplatzes. Die Entscheidung und ihre Veröffentlichung hatten sich verzögert, da Bundeskanzler Sebastian Kurz länger beim EU-Gipfel in Brüssel weilte und bei der nunmehrigen Live-TV-Pressekonferenz in Wien mit Vizekanzler, Gesundheitsminister und Innenminister offenbar unverzichtbar war – man will ja keinen Medienauftritt herschenken. Bleibt zu hoffen, dass sich das Virus mit seiner Ausbreitung an den dichten Terminplan von Herrn Kurz hält.

Halbgare Maßnahmen

Die neuen Maßnahmen sind allerdings zum Teil fragwürdig. Eine überwältigende Mehrheit der Neuinfektionen sind Oberösterreich, Niederösterreich und Wien zuzuordnen, was die Maskenpflicht für das ferne Vorarlberg doch ein wenig in Zweifel zieht. Zudem ist kein einziges Beispiel eines Clusters bekannt, der von einem Supermarkt ausgegangen wäre – schließlich treten Menschen hier ja auch nicht für längere Zeiträume in engeren Kontakt, sondern begegnen einander nur kurz und zumeist mit Abstand. Anders ist es bei Gottesdiensten, an gemeinschaftlichen Arbeitsplätzen in den Betrieben sowie bei ausufernden Party-Events in Innenräumen, worauf die meisten neuen Fälle zurückzuführen sind. Betroffen sind von den Maßnahmen vorerst jedoch bloß Kirchenveranstaltungen wie Messen, die nun reduziert und nur mit MNS besucht werden sollen, zumal Beten ja nicht geholfen hat. Auch die Frage der Reisebeschränkungen und Grenzkontrollen wurde halbgar beantwortet: Anscheinend ist nur der Westbalkan gefährlich, weswegen Kurz wiedermal eine Routenschließung in Angriff nimmt. Freilich sind als potentielle Virenschlepper insbesondere Immigranten und Gastarbeiter auf Heimaturlaub zur Verantwortung zu ziehen (sie müssen bei der Wiedereinreise einen zertifizierten Test vorweisen) – der Tourismus möge doch bitte keinen Schaden nehmen. Und Kroatien dürfte nach den Geographiekenntnissen des Maturanten im Kanzleramt scheinbar in einer gänzlich anderen Region liegen als Serbien, Bosnien, Montenegro und Nordmazedonien.

Regierung ohne Plan

Unterm Strich zeigt sich abermals, dass die Regierung weder einen systematischen Plan verfolgt, noch die wirklich heiklen Bereich anpacken will. Das seit geraumer Zeit angekündigte „Ampelsystem“ wirkt ein wenig lächerlich und droht nach der Corona-App der nächste Rohrkrepierer zu werden – eine täglich aktualisierte Ausweisung der jüngsten Infektionszahlen und aktuellen Fälle nach einzelnen Verwaltungsbezirken gibt es übrigens ohnedies bereits in der Daten- und Kartensammlung auf der Website des ORF. Aber die Regierung diskutiert wohl noch über die richtigen Nuancen der Farbtöne in ihrer Darstellung. Es steht zu befürchten, dass man auch in Österreich auf massivere neue Ausbrüche nicht vorbereitet ist bzw. solche nicht konsequent verhindert. Denn hierfür wäre es nötig, zur Sicherheit der arbeitenden Menschen in die Produktion und deren Bedingungen einzugreifen (und die Arbeiternehmer/innen auch finanziell abzusichern), womit die ohnedies laufende kapitalistische Krise weiter verschärft würde – das muss die Regierung des Kapitals natürlich vermeiden. Ähnliches gilt für den Sommertourismus und die wiedereröffnete Gastronomie, deren Profite nicht weiter riskiert werden sollen. Dafür nimmt die Regierung auch in Kauf, dass die Epidemie fortgesetzt wird sowie Gesundheit und Leben der Bevölkerung gefährdet bleiben, während man sie mit unlogischen und konzeptlosen Maßnahmen beglückt. Sicherheit und Vorsicht müssen Priorität haben, aber hierfür bräuchte es auch eine Politik ohne Scheuklappen, Kapitalhörigkeit und PR-Wahlkampf in Permanenz.

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