HomeFeuilletonGeschichteKatholische Kirche bekennt „Versagen“ gegenüber Austrofaschismus

Katholische Kirche bekennt „Versagen“ gegenüber Austrofaschismus

Die katholische Kirche war die gesellschaftliche Hauptstütze des austrofaschistischen Regimes in Österreich 1934–1938, dessen formelle Konstituierung sich am 1. Mai zum 90. Mal jährt.

Wien/Salzburg. Franz Lackner, Erzbischof von Salzburg und Vorsitzender der österreichischen Bischofskonferenz, nahm den bevorstehenden 90. Jahrestag der Verkündung der austrofaschistischen „Maiverfassung“ zum Anlass, die Rolle der katholischen Kirchen zu jener Zeit einer Kritik zu unterziehen. Er sagte: „Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Kirche haben in den Tagen des Austrofaschismus in großer Einseitigkeit der unter dem Deckmantel vermeintlich christlicher Politik agierenden Diktatur das Wort geredet und danach gehandelt – dieses Versagen müssen wir als Glaubensgemeinschaft bekennen.“

Tatsächlich war die Römisch-Katholische Kirche in Österreich nicht erst ab 1. Mai 1934, als der „Ständestaat“ formell konstituiert wurde, sondern schon zuvor eine gesellschaftliche Hauptstütze der austrofaschistischen Bewegung, die sich aus Teilen der Christlichsozialen Partei – der Vorläuferpartei der ÖVP – und der paramilitärischen Heimwehr bildete. Gemeinsam schufen die konservativen Parteien und die Kirche zunächst ein reaktionäres Bollwerk gegen die Arbeiterbewegung, die Sozialdemokratie und die KPÖ. In dieser Zeit war mit Prälat Ignaz Seipel sogar ein katholischer Amtsträger Bundeskanzler (1922–1924, 1926–1929), der u.a. für das Blutbad im Zuge der Wiener Julirevolte von 1927 verantwortlich zeichnete.

Katholische Priester segneten die Waffen der Heimwehrverbände, die im Februar 1934 im kurzen österreichischen Bürgerkrieg gemeinsam mit dem Bundesheer die widerständige Arbeiterbewegung gewaltsam niederrangen und die endgültige Abschaffung von Demokratie und Rechtsstaat ermöglichten. Im „Ständestaat“ 1934–1938 unter den austrofaschistischen Diktatoren Dollfuß und Schuschnigg, der nicht unberechtigt auch als Klerikalfaschismus bezeichnet wird, fungierte die katholische Kirche faktisch als politische Staatskirche, die alle Verbrechen des Regimes – darunter Justizmorde und das KZ Wöllersdorf – mittrug. Damit hat der Katholizismus in Österreich eine schwere Schuld auf sich geladen, die in den folgenden Jahrzehnten allerdings gerne unter den Teppich gekehrt wurde.

Insofern ist es positiv, dass Erzbischof Lackner sich zum 90. Jahrestag der austrofaschistischen „Maiverfassung“ zu den historischen Tatsachen rund um seine Glaubensinstitution bekennt. Man möchte jedoch gerne anmerken, dass es denn doch um mehr als nur „Einseitigkeit“ und „Versagen“ ging – es geht um eine mörderische faschistische Diktatur und zahlreiche Verbrechen gegen die Menschen in Österreich, an denen die katholische Kirche mehr als nur am Rande und keineswegs bloß aus Irrtum beteiligt war, sondern als integraler Teil und bewusster Kollaborateur.

Quelle: ORF

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