Nachdem die venezolanische Regierung am vergangenen Montag die EU-Botschafterin in Caracas zur unerwünschten Person erklärt und ihr 72 Stunden gegeben hatte, um das Land zu verlassen, beruhigt sich die diplomatische Situation vorerst wieder.
Caracas/Brüssel. Die Leiterin der EU-Vertretung in Venezuela, Isabel Brilhante Pedrosa, war ursprünglich ausgewiesen worden als Reaktion auf neue Sanktionen der EU gegenüber dem südamerikanischen Staat. Nun einigten sich jedoch der venezolanische Außenminister Jorge Arreaza und EU-Außenbeauftragter Josep Borrell darauf, dass es notwendig sei, die diplomatischen Beziehungen aufrechtzuerhalten: Pedrosa kann bleiben. An der interventionistischen und neokolonialen Position der EU ändert sich freilich nichts.
EU und USA unterstützen Putschisten
Die EU, die USA und einige rechtsgerichtete Regierungen Lateinamerikas betrachten die verfassungskonforme venezolanische Regierung von Nicolás Maduro schon seit eineinhalb Jahren als nicht mehr rechtmäßig. Stattdessen unterstützt man den Möchtegern-Putschisten Juan Guaidó, der sich im Jänner 2019 selbst zum „Übergangspräsidenten“ proklamiert hatte. Er ist der Kandidat der imperialistischen Mächte und der einheimischen Oligarchie, um den „bolivarischen Prozess“, der von Hugo Chávez – übrigens Arreazas Schwiegervater – eingeleitet worden war, zu beenden, denn Verstaatlichung, Sozial- und Bildungsprogramme sowie antiimperialistische Solidarität sind nicht das, was sich das Monopolkapital erwartet: Es erwartet den ungehinderten Zugriff auf die venezolanischen Rohstoffe, v.a. das Erdöl, und optimale Ausbeutungsbedingungen. Freilich, es ist eine völkerrechtswidrige, der UN-Charta widersprechende und optisch ebenso anmaßende wie lächerliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates, was die EU und die USA betreiben. Doch von solchen Details lässt sich der Imperialismus nun mal nicht irritieren. Das EU-Parlament und auch die österreichische Bundesregierung haben Guaidó als Präsidenten anerkannt. Global handelt es sich freilich um eine Minderheit: Drei Viertel der Staaten der Erde – darunter große Länder wie Russland, China und Indien – stehen weiterhin zum gewählten Präsidenten Maduro.
Bolivarismus in der Sackgasse
Trotzdem ist grundsätzlich festzustellen, dass sich der „bolivarische Prozess“ und der angebliche „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ in einer gewissen Sackgasse befinden. Chávez, Maduro und deren „Vereinigte Sozialistische Partei“ (PSUV) waren bzw. sind keine marxistischen Revolutionäre, sondern nur antiimperialistische Sozialreformer. Gerade weil es in Venezuela eben keine sozialistische Revolution gab und gibt, bei der die Bourgeoisie und der Großgrundbesitz politisch und ökonomisch entmachtet sowie enteignet werden, bei der die Arbeiterklasse und die Bauernschaft die revolutionäre Volksmacht ausüben, bei der bürgerliche Herrschaftsmechanismen und die kapitalistische Produktionsweise überwunden werden, war der Rückschlag nach zwischenzeitlichen Erfolgen nur eine Frage der Zeit. Die Abhängigkeit vom internationalen Rohölpreis, Sabotage durch die Oligarchie und Repressionen durch den Imperialismus tun das Übrige dazu, dass Venezuela in einer veritablen Krise steckt. Doch die Lösung ist natürlich nicht die Rückkehr in die Arme der USA, der EU und der Kompradorenbourgeoisie, sondern kann nur die wirkliche Revolution sein. Und bislang scheint das venezolanische Volk mehrheitlich auch nicht gewillt zu sein, sich von den Imperialisten und ihren Kollaborateuren erpressen zu lassen.
Gegen imperialistische Repression
Erpressung und Erdrosselung gehen freilich weiter. Die Rückgabe von Goldreserven der Bolivarischen Republik Venezuela im Ausmaß von etwa einer Milliarde Euro, die in London eingelagert sind, wird von Großbritannien verweigert. Ein deutliches Zeichen, dass man sich gegenüber imperialistischen Mächten nicht auf internationales Recht und Verträge verlassen kann, denn sie sind nichts anderes als Räuber. Offensichtlich soll das staatliche Vermögen künftig Guaidó und der „Opposition“ zugutekommen, damit sie ihre Umsturzpläne vorantreiben können, während die Regierung mit diesen Rücklagen die Corona-Pandemie und deren Folgen bekämpfen wollte. Die USA erließen vor einiger Zeit zudem steckbriefliche Haftbefehle gegen venezolanische Regierungsmitglieder, darunter Maduro, denen sie Drogenhandel und – Überraschung! – Terrorunterstützung unterstellen. Für die Ergreifung wurden 15 Millionen US-Dollar als Belohnung in Aussicht gestellt. Die Liste der wirtschaftlichen und Handelssanktionen ist zudem lang, die jüngsten der EU haben lediglich das Fass (vorübergehend) zum Überlaufen gebracht. Die Partei der Arbeit Österreichs bleibt auf dem Standpunkt, dass alle Sanktionen aufzuheben sind: Sie sind imperialistische und neokoloniale Willkür- und Repressionsmaßnahmen, um die Interessen des EU- und US-Monopolkapitals durchzusetzen. Es besteht kein Zweifel, dass Nicolás Maduro der legitime und verfassungskonforme Präsident Venezuelas ist. Die internationalistische und antiimperialistische Solidarität der PdA gilt dem venezolanischen Volk, ihre politische Unterstützung den Genossinnen und Genossen der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV).
Schande der Sozialdemokratie
Es ist eine besondere Schande, dass auch Österreich zu den Unterstützern Guaidós gehört und de facto gemeinsame Sache mit Putschisten, faschistoiden Paramilitärs und Ölkonzernen macht. Eine weitere erwähnenswerte Schande besteht in der Tatsache, dass Guaidós Partei mit dem kecken Namen „Volkswille“ (Voluntad Popular) ein Mitglied der Sozialistischen Internationale (SI) und damit eine Schwesterpartei der SPÖ ist. Wieder einmal zeigt sich, dass die Sozialdemokratie im Zweifels- und Ernstfall auf der falschen Seite der Barrikade Position bezieht – und das weltweit. Auch im venezolanischen Fall steht die SI somit also auf der Seite von Ausbeutung und Unterdrückung, von Kapitalismus und Imperialismus, von Neokolonialismus und drohendem Faschismus. Und die SPÖ hat es (wieder einmal) verabsäumt, sich für sozialen Fortschritt und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen einzusetzen. Stattdessen findet man nichts am „sozialdemokratischen“ Putschisten im Dienste der US-Konzerne und der reaktionären Oligarchie. Aber vielleicht hat Guaidó ja auch Vorbildwirkung: Nachdem es bei Wahlen für die SPÖ nicht mehr so rund läuft, könnte sich Pamela Rendi-Wagner auch einfach so zur neuen österreichischen Regierungschefin und Sebastian Kurz für abgesetzt erklären. Allerdings wäre zu befürchten, dass die österreichischen Behörden nicht so rücksichtsvoll agieren würden wie die venezolanischen. Denn so sehr die Imperialisten auch angebliche „Menschenrechtsverstöße“ und „fehlende Demokratie und Rechtstaatlichkeit“ in Venezuela unterstellen, so ist es wohl eine Tatsache: In so ziemlich jedem anderen Land der Erde käme jemand wie Guaidó ins Gefängnis – oder in die Psychiatrie.
Parlamentswahl im Dezember
Für den 6. Dezember 2020 wurden in Venezuela indessen Parlamentswahlen angesetzt, wie die Wahlkommission am vergangenen Donnerstag mitteile. Guaidós „Opposition“ hat sofort angekündigt, diese nicht zu akzeptieren, was nur logisch ist: Sie will ja ohne Wahlen an die Macht kommen. Sollte sie die Wahlen – mangels Erfolgsaussicht – boykottieren, so würde sie dann wieder über eine angeblich „autoritäre Regierung“ und ein „illegitimes Parlament“ jammern. Am liebsten wäre es Guaidó vermutlich, wenn US- und kolumbianische Soldaten den „revolutionären Schutt“ des Bolivarismus mittels militärischer Intervention beiseite räumen würden. Für die PdA steht fest: Es wird bei den Wahlen eine Stärkung der Kommunistischen Partei Venezuelas brauchen, um den Widerstand gegen den Imperialismus und den Kampf für den Sozialismus zu forcieren. Gegen imperialistische Interventionen, erpresserische Sanktionen, wirtschaftliche Sabotage und militärische Drohungen steht die PdA solidarisch auf der Seite des venezolanischen Volkes, das für Selbstbestimmung und Freiheit kämpft. Damit ist es gleichzeitig die Aufgabe der PdA, den imperialistischen Charakter der EU aufzudecken und die eigene, österreichische Kapitalistenklasse und deren politische Lakaien zu bekämpfen.