HomePolitikSperre von RT und Sputnik: Zwischen Willkür und Verwirrung

Sperre von RT und Sputnik: Zwischen Willkür und Verwirrung

Auf welchen Internetseiten man sich in Österreich informieren darf, entscheiden nun EU und private Konzerne – ganz ohne nervige ordentliche Gerichtsverfahren.

Mit A1 hat diese Woche auch der letzte große österreichische Provider den Zugang zu den als „russische Propagandamedien“ titulierten Seiten „RT“ und „Sputnik“ gesperrt. Der Vorgang zeigt auf, wie leicht Presse- und Informationsfreiheit auf dem Altar der medialen Kriegsführung geopfert werden.

Die ursprüngliche EU-Verordnung, die der Zensur zugrunde liegt, beinhaltete noch nicht einmal eine exakte Liste der zu sperrenden Domains – das sollte der Willkür der privaten Internetprovider überlassen bleiben. Zwar gibt es eine entsprechende Auflistung der deutschen Bundesnetzagentur, doch deren Gültigkeit in Österreich ist höchst fraglich. „Bei Strafdrohungen von bis zu 50.000 Euro muss doch zumindest vorher geklärt sein, was überhaupt unter Strafe steht. Kafka hätte seine Freude gehabt“, kritisiert Harald Kapper vom Fachverband „Internet Service Providers Austria“ (ISPA). Man kann jedenfalls davon ausgehen, dass angesichts der enormen Strafen im Zweifelsfall eine „verdächtige“ Seite eher gesperrt wird als nicht.

Ganz neu ist die Problematik um Netzsperren nicht, in den vergangenen Jahren kam es regelmäßig zu Unklarheiten um Sperren aufgrund von Urheberrechtsverletzungen, auch hier waren wegen fehlender Vorgaben oft Internetprovider in der Position, entscheiden zu müssen, was denn nun zugänglich sein sollte und was nicht.

Willkür von Regierungsvertretern

Nun könnte man meinen, dass die Sperre von ganzen Medienkanälen eine heiklere Angelegenheit als das Vorgehen gegen Filmpiraterieseiten ist. Doch mit dem EU-Rat entscheidet ausgerechnet das Gremium der Regierungen bzw. Minister darüber, was (noch) unter Meinungsfreiheit zu fallen hat und was bereits Propaganda ist. Ein unabhängiges Gericht ist dabei nicht involviert. Die Sperren von Wikipedia und Google News in Russland betreffen zweifelsfrei anders einzuschätzende Seiten; doch sowohl der Prozess der Beschlussfassung als auch die Argumentation („irreführende Informationen“) sind im Wesentlichen vergleichbar.

Wohin das führt, zeigt das Beispiel Estland: Hier wurden gleich zu Beginn des Krieges fünf russischsprachiger sowie ein belarussischer Sender gesperrt, weil sie eine Rede von Wladimir Putin und damit „eine Rechtfertigung des militärischen Angriffs auf die Ukraine“ ausgestrahlt hätten. Teile besagter Rede wurden natürlich von unzähligen Sendern, auch in Österreich, übertragen. Wie ausgewogene Berichterstattung aussehen soll, wenn bereits das Zitat anderer Positionen als Verbrechen gilt, bleibt dabei offen.

Wobei die zunehmend an Bedeutung gewinnende „Alternative“ – dass sogenannte soziale Medien, also gewinnorientierte, multinationale Konzerne, bar jeglicher demokratischer Legitimation oder Kontrolle Seiten nach politischer Wetterlage sperren, wohl noch desaströser für die Grundrechte ist.

Quellen: Rat der Europäischen Union, heise​.de, futurezone​.at

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