Schon länger hat es in der rechtsextremen Regierung rumort, die Konflikte treten immer offener zu Tage. Am Dienstag entließ Netanjahu seinen Verteidigungsminister, Yoav Gallant.
Tel Aviv. Bereits zum zweiten Mal wurde der israelische Minister Yoav Gallant vergangenen Dienstag von Premier Netanjahu entlassen. Im März 2023 wurde Gallant, damals bereits Verteidigungsminister in dem nach der Parlamentswahl 2022 gebildeten Kabinett, aufgrund seines Vorschlags zur Aussetzung der geplanten Justizreform entlassen. Darauffolgende Proteste und ein von dem zionistisch geführten Gewerkschaftsdachverband Histadrut ausgerufener Generalstreik zwangen Benjamin Netanjahu dazu, diese Entscheidung zu revidieren. Gallant durfte vorerst bleiben.
Seither kam es jedoch immer wieder zu Spannungen zwischen Gallant und dem Rest der Regierung. Grund dafür waren unterschiedliche Vorstellungen bei der Umsetzung des andauernden Völkermordes gegen die Menschen Gazas und im Krieg gegen die libanesische Bevölkerung. Gallant kritisierte beispielsweise Netanjahus Ausspruch des „totalen Sieges“ und zeigte sich bereit die Forderungen nach einem Geiselabkommen, wie sie von weiten Teilen der israelischen Gesellschaft gefordert werden, aufzugreifen. Auch Gallants Bemühungen, ultraorthodoxe Juden zum Wehrdienst zu verpflichten, stießen noch extremeren Exponenten des israelischen Regimes sauer auf.
Dabei sollte der Schein nicht trügen: Gallants vorsichtige Wende in Richtung eines Abkommens, um den Vernichtungskrieg in Gaza zu beenden und seine Offenheit für Verhandlungen mit der libanesischen Hisbollah, basieren wohl auf rein taktischen Erwägungen: Die israelische Regierung manövriert sich gerade in einen Mehrfrontenkrieg und ist weder im Gaza-Streifen noch im Libanon in der Lage ihre selbsterklärten Ziele zu erreichen und die Situation unter ihre Kontrolle zu bringen.
Die Debatte zur Wehrpflicht zeigt außerdem, dass Israels Kriege nicht nach Plan laufen. Der Ex-Verteidigungsminister begründete seine Position dazu mit den Worten: „es ist das kritischste Thema für unsere Existenz – die Sicherheit des Staates Israel“. Der Mythos der unbesiegbaren israelischen Armee bröckelt immer weiter.
Rassist und Menschenfeind
Gallant selbst hat unzählige Male bewiesen, dass er ein skrupelloser Kriegsverbrecher ist. In der aktuellen Berichterstattung der meisten bürgerlichen Medien findet dies allerdings wenig Beachtung.
Erstmals in die Knesset, dem israelischen Parlament, zog Gallant über die kurz zuvor gegründete Kulanu Partei ein. Yoav Gallant bekleidete daraufhin das Amt des Bauministers, bevor er 2019 zur Likud wechselte und Minister für Einwanderung und Migration und später Bildungsminister wurde. Als Verteidigungsminister, das Amt, dass Gallant seit der Regierungsbildung 2022 ausübte, erregte er immer wieder Aufsehen durch seine rassistischen und menschenverachtenden Aussagen. Nach dem 7. Oktober bezeichnete er die Palästinenser und Palästinenserinnen als „menschliche Tiere“, gegen die Israel kämpfe. „Ich habe eine vollständige Belagerung des Gazastreifens angeordnet. Es wird keinen Strom geben, keine Lebensmittel, keinen Treibstoff. Alles ist geschlossen“, so Gallant damals.
Als einer der führenden Köpfe des israelischen Regimes hat Gallant die Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen der israelischen Armee im Gaza-Streifen mitzuverantworten. Er kann mit Fug und Recht als einer der Drahtzieher des Völkermordes angesehen werden. Der Chef-Ankläger des internationalen Strafgerichtshofes (IStGH), Karim Khan, beantragte im Mai unter anderem für Gallant einen Haftbefehl. Grund dafür seien die Angriffe auf Zivilisten und der Einsatz von Hunger als Waffe, so der Vorwurf Khans.
Repression gegen fortschrittliche Kräfte und konsequente Kriegsgegner
Die aktuellen Geschehnisse in Israel zeigen die zunehmenden Widersprüche und Fragmentierungen innerhalb der israelischen Gesellschaft. Während weite Teile der Protestbewegung zwar den aktuellen Krieg und den Unwillen der Regierung Verhandlungen aufzunehmen anprangern, die Jahrzehnte andauernde Politik der Besatzung, Unterdrückung und Vertreibung jedoch nicht thematisiert wird, geraten die konsequenten Kriegsgegner immer mehr in Bedrängnis. Aktuell versucht die Netanjahu-Regierung das Bündnis Chadash, dem auch die Kommunistische Partei Israels (Maki) angehört zu verbieten. Mitglieder der KP Israels und der in der Knesset vertretenen arabischen Parteien sind immer wieder mit Schikanen und Repression konfrontiert, die von Parteibüro-Schließungen bis hin zu Verhaftungen gehen.