Etwa ein Jahr nach der Unterzeichnung des Memorandums wurden die ersten Flüchtlinge von der italienischen Küstenwache aufgefangen und von der Marine nach Albanien gebracht. Die 16 Männer aus Bangladesch und Ägypten sollen dort ihren Asylantrag abhandeln und erst anschließend die Festung EU betreten oder eben abgeschoben werden. Indessen erklärte ein römisches Gericht diese Vorgehensweise für unzulässig.
Rom/Tirana. Am 6. November 2023 unterzeichneten die Premierminister von Italien und Albanien eine Vereinbarung, um zwei Asylzentren in Nordalbanien zu bauen. Eines davon soll im Hafen der Touristenstadt Shëngjin und eines in einem ehemaligen Militärflughafen in Gjadër errichtet werden. Insgesamt sollen die beiden Zentren Asylanträge von bis zu 36.000 Menschen pro Jahr abhandeln.
Am 13. Dezember blockierte der albanische Verfassungsgerichtshof die Ratifizierung des Übereinkommens. Er musste zuerst überprüfen, ob ein Asylzentrum, das von italienischen Behörden, nach italienischem, bzw. europäischem Gesetz abläuft, verfassungskonform und unter internationalem Recht erlaubt ist.
Erste Geflüchtete nach Albanien gebracht
Am vergangenen Mittwoch wurden die ersten 16 Flüchtlinge nach Shëngjin gebracht. Die zehn Männer aus Bangladesch und sechs Ägypter hatten versucht, per Schiff aus Libyen in die EU zu reisen. Sie wurden von der italienischen Küstenwache aufgefangen und von der italienischen Marine nach Shëngjin gebracht. Dort wird ihr Asylantrag von italienischen Richtern per Videokonferenz verhandelt. Einwanderungsanwälte hingegen werden den Asylbeantragenden in Albanien zur Verfügung gestellt. Erst sobald der Asylantrag abgehandelt ist, dürfen die Menschen gegebenenfalls die EU betreten. Im Fall der 16 Männer ist die Gewährung von Asyl unwahrscheinlich, da Italien Ägypten und Bangladesch als “sicher” einstuft.
Der Betrieb der Asylzentren wird in den ersten drei Monaten vom hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) überwacht werden, um sicherzustellen, dass internationale und regionale Menschenrechte gewährleistet werden.
Das International Rescue Committee (IRC) bezeichnet die Eröffnung der Asylzentren in Albanien als: “einen finsteren Tag für die EU-Asyl- und Migrationspolitik”, welche hoffentlich nicht zum Beispiel für andere wird. Marta Welander, zuständig für Interessensvertretung des IRC in der EU sagt: “Menschen hinter Stacheldraht gefangen zu halten, absichtlich aus dem Auge und aus dem Sinn, ist keine nachhaltige Lösung für die Migrationsherausforderungen Europas”. Weiters merkt sie an, dass diese Maßnahme die flüchtenden Menschen bloß auf noch gefährlichere Fluchtrouten führen wird, wie z. B. der gefährlichen Überfahrt nach Spanien.
Politische Kritik und juristischer Gegenwind
Die Partei der Arbeit Österreichs (PdA) sieht in der Vereinbarung eine klare Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik, welche das Betreten der Festung Europa erneut erschwert. Zusätzlich soll diese Maßnahme den Spalt zwischen den Arbeiterinnen und Arbeitern aus der EU und denen Afrikas und Asiens vertiefen. Das Auslagern der Asylansuchen dient zudem der Verschleierung dessen, wie mit den Asylsuchenden umgegangen wird.
Welche Zukunft Italiens Pläne haben, erscheint allerdings offen. Nachdem schon der britische Ruanda-Plan gescheitert ist, droht der Regierung von Giorgia Meloni Ähnliches: Mittlerweile hat ein römische Gericht die Inhaftierung von „italienischen“ Asylwebern außerhalb der EU für gesetzwidrig erklärt und angeordnet, dass die betroffenen Menschen von Albanien nach Italien gebracht werden. Es ist allerdings nicht anzunehmen, dass die Regierung hier einfach Folge leistet, sondern dass ein Rechtsstreit über mehrere Instanzen bis zum obersten Gerichtshof entsteht.