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Kulturkrieg mit Kalkül

Polen verwehrt homosexuellen Einzelpersonen und Paaren das Adoptionsrecht

Brüssel/Warschau. Die rechtskonservative Regierung hat diesen Donnerstag ein neues Gesetz präsentiert, welches homosexuellen Paaren sowie homosexuellen Einzelpersonen von der Adoption von Kindern ausschließt. Das derzeitige Adoptionsrecht Polens schließt zurzeit zwar homosexuelle Paare sowieso von der Adoption aus, aber erlaubt es Einzelpersonen unabhängig von ihrer Sexualität, Kinder zu adoptieren. Das ändert sich nun: das Gesetz, welches von der rechtskonservativen Regierungspartei PiS heute groß angekündigt wurde, verpflichtet die entsprechenden Behörden, Einzelpersonen einer Prüfung zu hinterziehen und gegebenenfalls gleichgeschlechtlich lebende Menschen vom Adoptionsprozess zu entfernen.

Homophobie als Waffe im Dienste der Herrschenden

Der stellvertretende Justizminister Michal Wojcik begründete diese Entscheidung mit dem „Schutz und Wohlergehen der Kinder“. In den letzten zwei Jahren hat die PiS in Verbindung mit rechtsextremen Gruppierungen und einflussreichen katholischen Geistlichen das sogenannte „LGBT-Problem“ im Wahlkampfjahr 2019 durch die Medien gehetzt. Die rechtskonservative Regierung wurde indes von einer Mehrheit des EU-Parlaments und seiner Mitgliedsstaaten gerügt, fürchtet man doch das eigene Ansehen und die Einheit. In Polen organisierten primär EU-freundliche politische Gruppierungen und Initiativen Regenbogenparaden als Protest gegen die zunehmend reaktionäre Regierungspolitik, bei der es teilweise zu schweren Angriffen von rechten Gegendemonstranten kam. Weiter aufgebauscht wurde die Lage als verschiedene Bürgermeister im ökonomisch unterentwickelten Südosten Polens ihre Ortschaften zu „LGBT-freie Zonen“ erklärten.

Nationalismus und Kosmopolitismus – Zwei Seiten derselben Medaille

In Anbetracht der Tatsache, dass ein Großteil der polnischen Arbeiterklasse tagtäglich spürt, dass die Europäische Union nichts zur Verbesserung ihrer sozialen Lage beigetragen hat und die Erzählung von der freien, „bunten“ Gesellschaft im Kapitalismus mehr Schein als Sein ist, hat die PiS-Partei es geschafft, diese berechtigte Wut zu kanalisieren. Garniert werden diese Auseinandersetzungen mit einer gehörigen Portion Antikommunismus, dessen Gipfel die Versuche darstellten, die Kommunistische Partei Polens zu illegalisieren. So sprach Präsident Andrzej Duda auf öffentlichen Versammlungen immer wieder davon, dass sie nicht 40 Jahre dafür gekämpft hätten, die Schulen von der kommunistischen Ideologie zu befreien, um sie durch eine andere (die „LGBT-Ideologie“, Anm. d. Verf.) zu ersetzen.

Dass sie dabei diese Wut nicht auf die wahren Schuldigen für die soziale Misere des Landes, sondern wahllos auf sexuelle Minderheiten lenkt, von denen viele wiederum in der EU die Rettung sehen, ist ein doppelter Segen für die polnischen Kapitalisten. Denn völlig unabhängig davon, ob der rechtskonservative Kurs vertieft wird oder in Zukunft eine „liberale Wende“ eingeschlagen wird – die Mechanismen zur Ausbeutung der polnischen Arbeiterinnen und Arbeiter bleiben bestehen.

Quelle: Reuters

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