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Syrien: HTS und SDF einigen sich

Damaskus. In einer Einigung haben sich die syrische Übergangsregierung – die von der jihadistischen Gruppe Heyet Tahrir el-Şam (HTS) geführt wird – und die kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) auf eine vollständige Integration der SDF in die staatlichen Institutionen verständigt. Dies markiert das erste Mal seit 2012, dass der Nordosten Syriens wieder unter zentrale Kontrolle kommt.

Ein Abkommen für Einheit und Stabilität?

Das Abkommen, das bis Jahresende umgesetzt werden soll, sieht vor, dass alle öffentlichen Einrichtungen im Nordosten Syriens – darunter Grenzübergänge, Flughäfen und Öl- und Gasfelder – unter staatliche Kontrolle der Dschihadisten gestellt werden. Gleichzeitig wird die kurdische Gemeinschaft offiziell als Teil der syrischen Gesellschaft anerkannt. 

Ahmed al-Scharaa, der selbst ernannte Übergangspräsident Syriens, betonte bei der Unterzeichnung des Abkommens mit SDF-Oberkommandeur Mazlum Abdi, dass „jegliche Teilung des Landes“ abgelehnt werde. Die Vereinbarung bedeutet auch eine sichere Rückkehr der während des Bürgerkriegs vertriebenen Menschen in ihre Heimatregionen. Das erscheint als ein Hohn nach den Massakern an Alawiten und anderen Minderheiten am vergangenen Wochenende. Die in London sitzende Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sprach von knapp tausend Zivilistinnen und Zivilisten – darunter Frauen, Kinder und Babys – die von den Islamisten am Wochenende ermordet wurden. Die HTS ist aus dem syrischen Ableger der al-Qaida hervorgegangen und hat hier erneut ihr wahres Gesicht gezeigt. Es ging quasi zurück zu den Wurzeln.

Machtwechsel in Syrien und Konflikte mit der Türkei

Nach dem Sturz von Präsident Bashar al-Assad am 8. Dezember durch eine Rebellenkoalition, die von der islamistischen Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) angeführt wurde, war unklar, welche Rolle die SDF in der Zukunft des Landes spielen würden. Die SDF hatten während des Bürgerkriegs in einem Bündnis mit den USA gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) gekämpft und eine autonome Verwaltung im Nordosten Syriens aufgebaut, die vielfach in der deutschsprachigen „Linken“ als revolutionär und ähnliches verklärt wurde. In Wahrheit hatten die SDF aber vor allem syrische Erdölquellen für die USA militärisch gesichert, besetzt und die Errichtung von US-Stützpunkten im Land ermöglicht. Der Oberbefehlshaber der Syrisch-Demokratischen Kräfte (SDF), Mazlum Abdi, hat erst vergangene Woche in einem Interview mit der BBC erklärt, dass seine Organisation für jegliche internationale Unterstützung offen sei, auch aus Israel. 

Die Türkei sieht die SDF bzw. die in ihr wirkenden Volksverteidigungskräfte YPG als verlängerten Arm der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und stuft sie als Terrororganisation ein. In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen türkisch unterstützten Milizen und den SDF. Mit der aktuellen Einigung könnte sich die Situation ändern. Die SDF haben mit der Einigung ihre militärische Eigenständigkeit aufgeben und sich in die „regulären“ Streitkräfte integriert. Ob es einen Zusammenhang mit der von Öcalan vorgeschlagenen Auflösung der PKK gibt, ist unklar. Ebenso welche Rolle die von der Türkei unterstützte islamistische Miliz Syrische Nationale Armee (SNA) zukünftig spielen wird, die ebenfalls Teile des Landes besetzt hält.

Eine Herausforderung bleibt auch die Situation im Süden Syriens, wo die drusische Gemeinschaft bislang eine eigenständige Verwaltung beibehalten hat. Zudem wächst die Gefahr einer direkten Konfrontation mit Israel. Die israelische Regierung versucht, die drusische Gemeinschaft in Syrien für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Kurz nach der Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen Damaskus und den SDF griff die israelische Luftwaffe bereits Militärstellungen in der südsyrischen Stadt Daraa an.

Die Situation in der Region bleibt von innerimperialistischen Spannungen und Widersprüchen geprägt und ändert sich sehr rasch, daran wird auch dieses Abkommen nichts ändern.

Quelle: ORF/The Guardian

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