HomeWeitere RessortsKommentarWeshalb gibt es eine antimarxistische „Wiederbetätigung“?

Weshalb gibt es eine antimarxistische „Wiederbetätigung“?

Gastkommentar von Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., Universitätsprofessor i.R. für Geschichte an der Universität Innsbruck 

Bekanntlich hat Karl Marx die gesellschaftlichen Verhältnisse unter kapitalistischen Bedingungen mit ihrer Unterdrückung, Versklavung und Ausbeutung analysiert. Diese Analyse ist die Grundlage der als Marxismus definierten wissenschaftlichen Weltanschauung. Daran haben Kommunisten, aber auch Befreiungstheologen angeknüpft, die mit Marx und den Marxisten sowie mit den Kirchenvätern und Kirchenlehrern als Tatsache feststellen, dass die Reichen sich durch die Enteignung der Armen bereichern. Der im Auftrag der US-Demokratie, die von Völkermördern wie Henry Kissinger repräsentiert wird, 1989 als Kommunist ermordete Jesuitenpater Ignacio Ellacuría SJ schreibt: „Wenn die Armen verarmt, enteignet und unterdrückt sind, dann sind es die Reichen, die die Armen in die Armut treiben, enteignen und unterdrücken“. 

In der „Krone“ von Pfingstsonntag (28. Mai) schaltet die sich offensiv als „volksverbundene“ Katholikin bezeichnende Landeshauptfrau von Niederösterreich Johanna Mikl-Leitner ein antimarxistisches Inserat, in dem sie sich erschüttert zeigt, „dass die Ideen des Marxismus, die zu den Verbrechen des Kommunismus geführt haben, bei vielen offenbar kein Schaudern mehr auslösen“. Im Gleichklang mit Österreichs Starpolitologen stellt der Kolumnist Hans Rauscher den SPÖ-Funktionär Andreas Babler allein deshalb an den „Schwurbler“-Pranger, weil dieser bekannt hat, er habe sich mit Marx inhaltlich beschäftigt. 

Wir leben in einer Zeit, die von jenen Kräften nach innen und außen beherrscht wird, deren Maxime ausschließlich die Gier und der Profit sind. Eine wissenschaftlich marxistische Analyse dieser Kräfte ist von den politischen Eliten und ihren Leitmedien, die an den Schalthebeln unserer realbürgerlichen Demokratie sitzen, nicht erwünscht und deshalb muss der Marxismus von vorneherein kriminalisiert werden. Das hat ein prominenter Österreicher in einer Zeit, die der unseren mit ihren starken faschistischen Tendenzen nicht unähnlich ist, auch so gesehen. Der Marxismus, diese „Pestilenz“, gebe vor, sich um das „Los des Elends und der Armut“ Sorgen zu machen. Aber, so schreibt dieser vielgelesene Oberösterreicher: „… unter diesem Mantel rein sozialer Gedanken liegen wahrhaft teuflische Absichten verborgen, ja, sie werden mit frechster Deutlichkeit auch wohl in voller Öffentlichkeit vorgetragen. Diese Lehre stellt ein unzertrennliches Gemisch von Vernunft und menschlichem Aberwitz dar, aber immer so, daß nur der Wahnsinn zur Wirklichkeit zu werden vermag, niemals die Vernunft. […] Gerade im wirtschaftlichen und politischen Wahnwitz liegt der Sinn dieser Lehre. Denn durch ihn werden alle wahrhaft Intelligenten abgehalten, sich in ihren Dienst zu stellen…“. Über die Gewerkschaften: „Nicht die Gewerkschaft ist >klassenkämpferisch<, sondern der Marxismus hat aus ihr ein Instrument für seinen Klassenkampf gemacht“. Dazu passend das Resümee dieses Österreichers: „Karl Marx war wirklich nur der eine unter den Millionen, die in dem Sumpfe einer langsam verkommenden Welt mit dem sicheren Blick des Propheten die wesentlichsten Giftstoffe erkannte, sie herausgriff, um sie, einem Schwarzkünstler gleich, in eine konzentrierte Lösung zur schnelleren Vernichtung des unabhängigen Daseins freier Nationen auf dieser Erde zu bringen.“ 

Solche offenkundig aktuell werdenden wissenschaftsfeindlichen Einschätzungen des Marxismus, insbesondere über dessen angeblich „jüdische“ Wurzeln, von denen heute nicht mehr die Rede ist, sind im Kontext nachzulesen bei Adolf Hitler aus Braunau in Oberösterreich in seinem 1925/1926 veröffentlichten Buch „Mein Kampf“.

- Advertisment -spot_img
- Advertisment -spot_img

MEIST GELESEN