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Osttiroler Gemeinde Matrei droht Konkurs

Matrei in Osttirol ist pleite – und dies in erstaunlichem Ausmaß. Verantwortlich ist die ÖVP auf gleich mehreren Ebenen, am Ende zahlen die Tiroler Bürgerinnen und Bürger die Zeche.

Matrei i. O./Lienz. Dass die Gemeinde Matrei in Osttirol schon länger mit erheblichen finanziellen Außenständen zu kämpfen hat, ist seit Jahren bekannt. Laut Wirtschaftsprüfern belaufen sich die Schulden auf rund 35 Millionen Euro. Zuletzt hatte man den 106 Gläubigern in den laufenden Verhandlungen eine Ausgleichsquote von 80 Prozent angeboten, was jedoch einige nicht annehmen wollen. Auch der Finanzreferent des Landes – und dies ist Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) höchstpersönlich – pocht auf eine hundertprozentige Begleichung der Schulden. Allerdings gehört auch das Land Tirol zu den Gläubigern. Nun steht das Gespenst eines kommunalen Konkurses im Raum.

Matrei in Osttirol – nicht zu verwechseln mit dem Nordtiroler Matrei am Brenner – ist die flächenmäßig größte und bezüglich Einwohnerzahl nach der Bezirkshauptstadt Lienz zweitgrößte Gemeinde Osttirols. Dennoch stellt sich die Frage, wie eine Marktgemeinde mit nur viereinhalbtausend Bürgerinnen und Bürgern und durchaus ansehnlichen Tourismuseinnahmen einen solchen Schuldenstand ansammeln konnte. Der seit einem Jahr amtierende Bürgermeister Raimund Steiner, der seinen Erdrutschsieg wohl der Finanzmisere zu verdanken hat, verweist auf seinen Vorgänger Andreas Köll.

Köll amtierte in Matrei von 1989 bis 2022 quasi uneingeschränkt, d.h. mit einer durchdringenden absoluten Mehrheit seiner ÖVP-nahen Liste, als Ortskaiser. Von 2001 bis 2013 war er auch Landtagsabgeordneter und im Anschluss bis 2018 Bundesrat für die ÖVP. Natürlich hat auch die Steiner-Liste einen deutlichen ÖVP-Einschlag, der neue Bürgermeister ist Aufsichtsrat der Raiffeisengenossenschaft Osttirol. Insofern hat der gesamte Konflikt parteiinterne Relevanz in einem Land, in dem bekanntlich immer alles richtig gemacht wird. In der Causa Matrei kann man das halt nicht so leicht behaupten.

Natürlich muss man Köll vorwerfen, Großprojekte umgesetzt und auf den Weg gebracht zu haben, die nicht ausfinanziert waren und deren Kreditrückzahlungsmodelle sich als unhaltbar erwiesen. Damit ist noch nichts über die Sinnhaftigkeit gesagt, die wohl unterschiedlich zu bewerten ist: Das moderne Fußballstadion für den viertklassigen (ÖVP-nahen) Verein Union Matrei sowie das Schwimmbad erscheinen überdimensioniert, Kanalausbau und Wasserkraft hingegen sind grundsätzlich zweckmäßige Infrastrukturverbesserungen, für die, ggf. mit Unterstützung von Bund und Land, ausreichend Mittel bereitstehen müssen. Aus der Verantwortung kann man Köll, der 2022 auf eine erneute Kandidatur als Bürgermeister verzichtete, jedenfalls nicht entlassen.

Das gilt aber auch für die Aufsichts- und Kontrollbehörden in Bezirk und Land. Es ist offenkundig, dass man hier zu lange zugesehen hat, als sich das Millionendebakel längst abgezeichnet hatte – aber alle Beteiligten gehörten eben zur allmächtigen Tiroler ÖVP. Erst jetzt ist man sich offenbar des Ernstes der Lage bewusst. Dass die Gemeinde tatsächlich als solche in den Konkurs geschickt wird, wäre einzigartig in der Tiroler Geschichte, erscheint aber nicht allzu wahrscheinlich: Am Ende wird das Land einspringen müssen und dabei Matrei entsprechend unter Kuratel stellen. Indirekt bedeutet dies jedoch nichts Anderes, als dass die Bürgerinnen und Bürger für das Versagen und die Inkompetenz der ÖVP-geführten Politik und Behörden bezahlen werden müssen.

Quelle: Der Standard

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