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Österreichs Gesundheitssystem am Limit

Das österreichische Gesundheitssystem ist nicht erst seit Corona an seinen Grenzen. Personalmangel auf allen Ebenen führt vermehrt zu Versorgungsengpässen, die spürbarer werden. Die geplante Gesundheitsreform wird hier keine Besserung bringen, aber hilft dem Gesundheitsminister, von Ursachen abzulenken und mit dem Finger auf andere zu zeigen.

Wien. Im österreichischen Gesundheitssystem knirscht es ganz gewaltig, überall werden Lücken und Krisen sicht- und spürbar. Kürzlich zeigte eine APA-Umfrage, dass die Personalsituation in den Spitälern bundesweit weiterhin sehr angespannt ist. Die Ärztekammer fordert unterdessen einen Runden Tisch mit der Politik, um Problemlagen wie monatelange Wartezeiten auf Operationen, überfüllte Ambulanzen und Spitalspersonal am Limit endlich anzugehen.

Bettenschließungen im ganzen Land

Der städtische Wiener Gesundheitsverbund (WIGEV) hat generell 949 Betten gesperrt, denen 5.492 sogenannte systemisierte Betten gegenüberstehen. In den Niederösterreichischen Landeskliniken sind aufgrund des Personalmangels drei Prozent der Betten gesperrt. Bei den Kliniken der OÖ Gesundheitsholding waren mit 31. August wiederum 432 Betten – etwa zehn Prozent – gesperrt, in den Häusern des Kärntner Krankenanstaltenbetreibers Kabeg werden 130 Betten aus demselben Grund nicht belegt. In Salzburg sind es 170 Betten, in der Steiermark 703, und in der Innsbrucker Klinik sind sogar rund 20 Prozent der Betten gesperrt. Ganz im Westen, in Vorarlberg sind 140 Betten, also knapp zehn Prozent, nicht in Betrieb. In Teilen der Spitäler kommt es deswegen auch zu Verzögerungen von Operationen, die Überlastung des verbliebenen Personals ist enorm und eigentlich untragbar. Diese Zahlen zeigen ganz klar, dass es brennt, und zwar lichterloh: Das Spitalssystem befindet sich in einer massiven Krise wegen fehlenden Pflegekräften sowie Ärztinnen und Ärzten

Ärztemangel bei niedergelassenen Kassenärzten

Damit aber nicht genug, auch im Ordinationsbereich, in der Nahversorgung kommt es zu Engpässen, was wiederum die Notaufnahmen bzw. Ambulanzen der Krankenhäuser zusätzlich belastet. Der Betriebsrat des Kepler Uniklinikums verdeutlicht dies mit blanken Zahlen: Von 150 Fällen in der Notaufnahme würden lediglich fünf stationär aufgenommen. Ähnliche Berichte gibt es aus anderen Bundesländern. Die Probleme im Bereich niedergelassener Kassenärzte zeigen sich aber auch darin, dass beispielsweise allein in Niederösterreich insgesamt sieben von 43 Kassenstellen für Kinder- und Jugendheilkunde vakant sind. Für den gesamten Bezirk Liezen (Steiermark) findet sich trotz vielfacher Ausschreibung keine Amtsärztin und kein Amtsarzt – und diese Liste könnte quasi endlos fortgeführt werden. Der Wiener Gesundheitsstadtrat Hacker geht davon aus, dass österreichweit 7.000 Ärztinnen und Ärzte bis 2035 fehlen werden.

Rauch zeigt mit Finger auf andere

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), der sich eigentlich mit diesem Problem beschäftigen und tiefgreifende Reformen vorschlagen müsste, um Abhilfe zu schaffen, glänzt jedoch mit kosmetischen Vorschlägen, die das Problem nicht lösen werden. Er geht sogar noch weiter und zeigt mit dem Finger auf die Länder und Gemeinden, die in den Verhandlungen rund um den Finanzausgleich nach wie vor mit dem Angebot des Bundes nicht zufrieden sind und somit den Beschluss der Symbolreform bis zu einem gewissen Punkt verhindern. In der ORF-Pressestunde spricht Rauch davon, dass zwei Milliarden für Gesundheitsbereich und Pflege „enorm viel Geld“ seien, diese sind jedoch für die Gültigkeitsdauer des Finanzausgleichs ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aber der Tenor im Pressegespräch ist ohnehin, die Verantwortung auf andere abzuwälzen und mit dem Finger auf andere zu zeigen. Rauch ist nicht nur mit den Ländern und Gemeinden unzufrieden, die seine Politik blockieren, auch die Ärztekammer und Kassen holt sich einen Rüffel ab. Diese hätten darauf gedrängt, die Organisation der Covid-Impfungen dieses Jahr selbst zu organisieren. „Aber wenn das nicht klappt“, so Rauch, werde er ihnen das wieder entziehen. Er gebe ihnen „noch eine Woche“, sonst werde der Bund das wieder übernehmen. Wirkliche Ursachensuche und ‑bearbeitung wird somit wieder einmal nicht betrieben und schuld sind immer die anderen. Aber tatsächlich schuld ist am Ende, wie niemand zugeben will, der Kapitalismus – ein Gesellschaftssystem, dass sich nicht an den Bedürfnissen der Menschen, sondern des Marktes, der Profite orientiert.

Quelle: vol​.at/Der Standard/Kleine Zeitung/MeinBezirk/Der Standard/Ö24

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