HomeFeuilletonGeschichteVor 100 Jahren: Gründung der Kommunistischen Partei Norwegens

Vor 100 Jahren: Gründung der Kommunistischen Partei Norwegens

Im November 1923 entstand die Kommunistische Partei Norwegens (NKP) als Abspaltung der sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Die Vorgeschichte ist in Europa jedoch recht einzigartig.

Als sich 1919 die bisherige Arbeiterbewegung endgültig in einen revisionistischen und reformistischen sozialdemokratischen Teil sowie einen marxistischen und revolutionären kommunistischen Teil spaltete, geschah in Norwegen etwas Besonderes: Die 1887 gegründete Norwegische Arbeiterpartei (Arbeiderpartiet, DnA/Ap), die einzige proletarische Klassenpartei des Landes, trat in ihrer Gesamtheit der III., der Kommunistischen Internationale bei, die in Moskau auf Initiative Lenins gegründet worden war.

Vor diesem Hintergrund lag es zunächst an der neuen und kleineren „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Norwegens“ (NSA), die sich 1921 vom norwegischen Komintern-Mitglied abspaltete, die Sozialdemokratie in Norwegen wieder auf den Boden im Sinne II. Internationale und der Sozialistischen Arbeiterinternationale (SAI) zu bringen. Doch auch in der Arbeiterpartei, die insbesondere durch die russische Oktoberrevolution „radikalisiert“ worden war, kamen Zweifel an ihrer Orientierung auf. Lenins 21 Leitsätze, die Bolschewisierung und der demokratische Zentralismus nährten in Teilen der Arbeiterpartei die Ansicht, dass es als Komintern-Mitglied nicht mehr möglich wäre, eigenständig nationale Politik zu bestimmen. Auf zwei Konferenzen im Jahr 1923 gab es knappe Komintern-kritische Mehrheiten, bei einem Parteitag am 4. November beschloss die Arbeiterpartei schließlich den Austritt auf der Komintern. Sie kehrte in die sozialdemokratische Familie zurück und betrieb erfolgreich die Wiedervereinigung mit der NSA, die 1927 vollzogen wurde.

Der 4. November 1923 blieb jedoch nicht ohne Folgen: Ein relevanter Teil der Ap-Mitgliedschaft stand treu zum revolutionären Kurs und zum Marxismus-Leninismus, weswegen diese Genossinnen und Genossen sofort die Kommunistische Partei Norwegens (Norges Kommunistiske Parti, NKP) gründeten und als solche die Komintern-Mitgliedschaft quasi nahtlos fortsetzten. Immerhin 13 der 29 damaligen Parlamentsabgeordneten der Arbeiterpartei schlossen sich der NKP an, auch ein Großteil der Gewerkschaftsbewegung stellte sich auf die nun explizit kommunistische Seite. – Und somit begeht die NKP am heutigen 4. November ihren 100. Jahrestag.

Die weitere Geschichte der NKP war wechselhaft. Bei den Parlamentswahlen 1924 erreichte man beim ersten eigenständigen Antreten 6,1 Prozent der Stimmen und sechs der 150 Mandate im „Storting“, 1930 schied man wieder aus. Im Zweiten Weltkrieg agierte die NKP gegenüber der deutsch-faschistischen Besatzung zunächst vorsichtig, doch nach ihrer Illegalisierung (1940) und spätestens mit dem Nazi-Überfall auf die UdSSR (1941) verstärkte die NKP ihre antifaschistischen Widerstandsbemühungen. Diese wurden 1945 von der Bevölkerung auch honoriert, als die Partei mit 11,9 Prozent der Stimmen und elf Parlamentssitzen ihr bestes Wahlergebnis erreichte. Es folgte jedoch wieder ein Abwärtstrend, 1961 verlor die NKP ihr letztes nationales Mandat. 1973 bis 1977 war man in einer Bündniskonstellation nochmals mit einem Abgeordneten vertreten. Seither blieben die Stimmenanteile der NKP deutlich unter einem Prozent.

Sowohl die Schwierigkeiten des modernen Revisionismus und Eurokommunismus als auch die Krise der internationalen kommunistischen Bewegung im Zuge und Gefolge der Konterrevolution in der UdSSR und Osteuropa 1989–1991 hat die Kommunistische Partei Norwegen jedoch überstanden. Sie ist Mitglied der Internationalen Treffen der kommunistischen und Arbeiterparteien (IMCWP) und versteht sich heute als marxistisch-leninistische Partei des revolutionären Klassenkampfes für den Sozialismus. Zu ihren Positionen zählen u.a. die Ablehnung der EU und der NATO-Austritt Norwegens. Das Zentralorgan der NKP ist die Zeitung „Friheten“ (Freiheit), als Parteivorsitzende amtiert seit 2014 Runa Evensen.

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